
Gelesen: 01. – 04.09.2025 (netto 327 Seiten)
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.
Hach, Jerome Charyn. Isaac Seidel. Rotbuch Krimi.
Hach.
Für mich ist die Isaac Seidel Reihe mit das Beste, was ich all die Jahre gelesen habe. Jerome hat also jede Menge Kredit.
Ravange & Son ist eine historischer Roman, halb Krimi halb Geschichte der jüdischen Lower East Side in NYC.
Ab in den DeLorean und ins Jahr 1883.
Lionel Ravage ist einer der wichtigsten Vermieter in der Lower East Side von Manhattan, dem jüdischen Viertel, das auch als Ghetto bekannt ist.
Er liebt seine Katze Chlöe, ignoriert seine Frau Henrietta und streift mit seinem silbernen Wolfskopfstock durch die Nachbarschaft. Er drängt junge Frauen zum Sex, indem er ihnen manchmal Mietnachlässe anbietet oder vorgibt, sie zu heiraten.
Fast Forward nach 1913: Benjamin Ravage, illegitimer Sohn von Lionel, hat sein Studium in Harvard abgeschlossen. Jacob Schiff (der tatsächliche Chef des Bankhauses Kuhn Loeb und Finanzier vieler der größten Eisenbahngesellschaften des Landes) hatte ihn dorthin geschickt, wahrscheinlich um irgendwann ein Druckmittel gegen Lionel zu haben.
Ben wird einer der Detektive der Kehilla (eine Geheimgesellschaft reicher deutscher Juden aus Uptown NYC, die für Ordnung (Vorsicht, Euphemismus) unter den armen russischen Juden in Downtown NYC sorgt) und wird praktisch überallhin von seinem Partner Monk Eastman (ebenfalls eine historische Figur und ein berüchtigter Gangster) begleitet.
Ihr Job: Im Sinne der Reichen in der Lower East Side aufzuräumen.
Doch Ben ist in Wirklichkeit nur daran interessiert, sich an seinem Vater zu rächen, der seine Mutter in die Irrenanstalt getrieben hat.
Seine Arbeit wird dabei von Abraham Cahan (dem echten Herausgeber des Jewish Daily Forward, einer jiddischen Zeitung, die 1913 eine größere Auflage hatte als die meisten englischsprachigen Zeitungen) verfolgt, der befürchtet, dass die Kehilla den sozialistischen Trend des Viertels unterdrückt.
Jerome Charyn erschafft eine schwindelerregende Vielfalt an Charakteren und Handlungspunkten. Dazu gibt es jede Menge kleine Geschichtsstunden, die Manhattaner Institutionen wie Lord & Taylor und das Montefiore Hospital berühren, ganz zu schweigen von Cahan, dem Daily Forward und den Spannungen zwischen deutschen Juden und ihren verarmten russischen Genossen.
Fiktion und Realität sind fließend, ab und an habe ich parallel recherchiert um den Kontext zu verstehen.
Letztlich konzentriert sich Ravage & Son auf Bens Rachefeldzug gegen seinen Vater und lässt andere Erzählstränge auf der Strecke. Dabei sind einige der anderen Stränge ebenso interessant wie Bens Geschichte, die zum Glück tragisch endet.
Spannend aber kein Isaac Seidel Niveau. Es geht ja letztendlich auch im etwas anderes: Gewalt, herzlose Schurken und Klein halten. Ausnutzen. Auspressen.
Innerhalb der jüdischen Diaspora in NYC, vor dem ersten Weltkrieg.
Soundtrack dazu: Jeff Dahl – Ravaged, was sonst?
PS: Und Jerome so?
PPS: Und der Bintel Brief im Jewish Daily Forward?
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