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Shashi Tharoor – Die Zeit Der Finsternis (Aufbau Verlag, 2024)

Gelesen:04. – 06.09.2024 (netto 403 Seiten plus 23 Seiten Nachwort von Mithu Sanyal)

Aus dem Englischen übersetzt von Cornelius Reiber.

Der englische Originaltitel geht ein wenig flotter zur Sache:

Inglorious Empire: What the British did to India.

Die Geschichte, wie das Britische Empire respektive die East India Company einen ganzen Subkontinent beherrschte, hatte mich irgendwie schon immer interessiert.

Diese Buch gibt die Chance, die handelsüblichen Schlagwörter (“Die Briten haben das Land geeint”, “Die Briten haben die Industrialisierung gebracht”, “Die Briten haben Demokratie und Recht geschaffen”, “Die Briten haben Cricket eingeführt” etc etc) einmal pointiert aus Indischer Sicht kommentiert zu bekommen.

Und da lernt der Leser dann schnell, anhand von Fakten, das einiges anderes war.

( (c) Aufbau Verlag 2024)

Mitnichten hatte die East India Company und die britische Aristokratie eine andere Idee als Reichtum aus Indien nach England umzuverteilen. Auf dem Rücken der Inder.

Mithu Sanyal kommentiert das in ihrem Nachwort auf den Punkt:

Und dann recherchierte mein Mann 2015 im Internet, ob seine Familie auch Menschen versklavt hatte. Mein Mann ist Engländer, und die Briten haben ein Online-Register, in dem man das nachschauen kann. Ich sagte irgendetwas wie: »WTF?« 

Und er erklärte mir, dass diese Listen entstanden waren, weil Großbritannien nach dem Verbot der Versklavung 1835 Wiedergutmachungen gezahlt hatte. Ich war beeindruckt, bis ich erfuhr, dass diese Gelder nicht an die Menschen, die versklavt worden waren, gegangen sind, sondern an die »Sklavenhalter«, die ja nun »Eigentum« verloren hatten. 

Insgesamt 200 Millionen Pfund – oder nach heutigem Wert: 17 Milliarden Pfund; so viel Geld, dass Großbritannien dafür einen Kredit aufnehmen musste, den es 180 Jahre lang abbezahlte. Als Großbritannien 2015 endlich damit fertig war, tweetete UK Treasury stolz: »Millionen von Ihnen haben mit ihren Steuern zur Beendigung des Sklavenhandels beigetragen.« 

Nein! Die britischen Steuerzahler:innen hatten Menschen alimentiert, die aus der Ausbeutung anderer Menschen Profit geschlagen hatten. Und die »Befreiten« mussten nach 1835 noch weitere sechs Jahre für ihre ehemaligen »Besitzer« arbeiten: 45 Stunden die Woche, ohne Bezahlung! 

Dieses fehlende Wissen darüber, wie Kolonialismus unsere Sicht auf die Welt und vor allem auf die ehemals Kolonialisierten prägt, führt dazu, dass wir koloniale Narrative mit ermüdender Regelmäßigkeit reproduzieren.

(c) Aufbau Verlag 2024

Noch und nochmal ließen die Briten die Inder alles, aber auch alles, bezahlen. So oder so.

Kolonialgeschichte, immer wieder Wert der Kolonialmacht rückblickend eine zu ballern!

Das Buch selbst ist aus einem Redebeitrag von Shashi Tharoor anlässlich einer Debatte an der Oxford University entstanden. Es ist manchmal trocken, manchmal arg Wissenschaftlich aber am Ende … ein entschlossener Standpunkt.

Passt, wenn auch – aus meiner Sicht – zu wenig historischer O-Ton.

Soundtrack dazu: TMA – Dying The Empire Way, was sonst?

PS: Book Collectors are pretentious assholes – #1108 der nummerierten Erstausgabe!

PPS: Die Rede selbst …

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