Bücher, schnell gelesen: 1.626

Catherine Gore – Der Geldverleiher (Die Andere Bibliothek, 2022)

Gelesen: 05. – 13.02.2023 (netto 463 Seiten).

Übersetzt von Theodor Fontane.

Ich lese neben Krimis und Büchern über Musik ja auch gerne historische Reise- und/oder Kulturbeschreibungen, idealerweise als Original.

Das hier ist wieder so ein Buch, eine Geschichte aus dem Viktorianischen Ingerland, geschrieben von einer Frau. Im Englischen Original ist der Titel “Abednego, the money-lender” und 1842 erschienen. Das Buch ist auch 1846 in Deutsch erschienen.

Das besondere an dieser Ausgabe respektive Übersetzung ist das es ein Zufallsfund ist. Theodor Fontane hat es übersetzt bevor er selber Romane schrieb, aber die Übersetzung ist nie erschienen und war irgendwo in Amerika verschollen (wohin sie mit ihrem Besitzer nach der gescheiterten Revolution 1848 emigriert ist). Irgendwie ist das Manuskript als Abschrift zurück nach Deutschland gekommen und dann im zweiten Weltkrieg mehr oder weniger verloren gegangen.

Das Buch selbst ist ein wenig langatmig, aber das war wohl der Erzählstil der Zeit. Ein junger Mann, Garde-Soldat aus gutem aber verarmten Haus, dient als Aufhänger für eine Geschichte rund um Herkunft, Macht, Schein und – namensgebend – einem jüdischen Geldverleiher der den Schein auf Pump aufrecht erhält.

Stark ist die Geschichte wenn die Dialoge die aristokratischen Sitten entblößen, herzlose, machtversessene und nur auf den Schein ausgerichtete Menschen, die Kraft ihres Standes die viktorianische Gesellschaft anführen.

Und das England immer noch eine Standesgesellschaft ist, passt dann perfekt zu diese Story.

Nur was für Experten!

Soundtrack dazu: The Wall – Money Whores, was sonst?

PS: Book Collectors are pretentious assholes – #3147 der nummerierten Erstausgabe!

Bücher, schnell gelesen: Teil 1.476

Georg Hermann – Kubinke (Die Andere Bibliothek, 2019)

Gelesen: 08. – 09.09.2020, netto 331 Seiten

Und nochmal was aus dem letzten Jahrhundert – die Buchreihe der Anderen Bibliothek ist auch zu schön (in der Haptik sowieso, manchmal auch in den Büchern selbst).

Diesmal kein Reisebereicht sondern ehr eine kleine Milieu Studie aus dem Berlin von 1908. Zwei Dinge haben mir dabei das schmunzeln ins Gesicht getrieben:

Zum einer ist der Erzähler mit einer ganz wunderbar süffisanten Erzählweise unterwegs: Immer lustig aber im Grunde auch immer Böse. Aber auch das Böse wird immer lustig verpackt. Echt gelungen.

Zum anderen bekommen die handelnden Personen nur echte Berliner Schnauze aus dem Mund und die wird hier auch so gedruckt:

( (c) Die Andere Bibliothek, 2019)

Das Buch ist ganz wunderbar aus der Zeit gefallen, es stellt den Berliner Westen (das war damals wohl Charlottenburg) in epischer Breite da. Und von ganz hinten ist dabei dann auch immer die richtige Einordnung dabei:

Wo noch vor kurzem bunte Knabenkräuter im Maiwind ihre Blüten gewiegt hatten, da trieb  jetzt nur noch die Bauspekulation und der Häuserschwindel seine Blüten. Pferde wurden geschunden, Arbeiter um ihren Lohn gebracht; Handwerker betrogen. Die Häuser gingen von Hand zu Hand, wechselten dreimal den Besitzer, ehe sie fertig wurden. Wo heute ein Käsegeschäft war, war morgen ein Schuhgeschäft; und übermorgen standen elektrische Lampen im Fenster.

Jetzt natürlich, zu der Zeit, da unsere Geschichte beginnt, am ersten April 1908, da war unsere Straße eben hochherrschaftlich geworden. Man fühlte ordentlich, wie die Mieten stiegen.

Und der Held, der junge Barbier Kubinke, ist der sprichwörtliche (stille) kleine Mann der in einer Klassengesellschaft seinen Platz und sein kleines Glück sucht.

Und am Ende aus dieser ironischen Geschichte einen Krimi macht.

Das ganze wurde 1966 vom SFB verfilmt und hat es dann doch auf 4 (vier!) Austrahlungen gebracht. Das ist aber nicht die einzige Tragik – Georg Hermann war ein Deutscher jüdischen Glaubens und wurde am 19.11.1943 in Auschwitz ermordet.

Und ist seitdem vergessen.

Soundtrack dazu: Sick Horse – Master Ace, was sonst?

PS: Book Collectors are pretentious assholes – #2173 der nummerierten Erstausgabe!

Bücher, schnell gelesen: Teil 1.474

Grey Owl – Pfade In Der Wildnis (Die Andere Bibliothek, 2019)

Gelesen: 06. – 07.09.2020, netto 311 Seiten

Und nochmal was von ganz früher, diesmal von 1931.

Archibald Stansfeld Belaney wurde 1888 in Hastings, Sussex, geboren und wollte als Kind schon Indianer werden. 1906 bestiegt er die SS Canada in Liverpool und emigrierte nach Halifax. Weiter gehts nach Nord Ontario und dort lebte und arbeitete er als Ranger, Trapper und Wildführer.

Nach einem kurzen Intermezzo in der kanadischen Armee als Sniper im ersten Weltkrieg kam er 1917 verwundet zurück nach Kanada. Jetzt nannte er sich Grey Owl und wollte nur noch Indianer sein. Mit aller Konsequenz.

Sein Leben wurde von Richard Attenborough mit Perce Brosnan 1999 verfilmt:

Das Buch ist mit Sicherheit besser als dieser Film: Es ist weniger eine Lebens- und Liebesgeschichte sondern wohl das erste Buch das für die Natur geschrieben wurde und darstellt, wie der hemmungslose Verbrauch von Natur eine Landschaft und die Menschen und Tiere in dieser Landschaft vernichtet.

Sehe sachlich, fast wissenschaftlich, lernen wir die Natur und das Leben im Einklang mit dieser Natur kennen. Und was diesen Einklang vernichtet. Toll.

Was sagen die Kanadier über Grey Owl?

Und wo hat er sich rumgetrieben?

Kopfkino galore!

Soundtrack dazu: YOUTH YOUTH YOUTH – Made In England, was sonst?

PS: Book Collectors are pretentious assholes – #0315 der nummerierten Erstausgabe!