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  • Bücher, schnell gelesen: 1.706

    Bücher, schnell gelesen: 1.706

    Adam Morris – Bird (Edition Nautilus, 2024)

    Gelesen: 12. – 18.05.2024 (netto 294 Seiten)

    Aus dem Englischen von der wunderbaren Conny Lösch (ein Qualitätsmerkmal).

    Wau, was für ein cooler Knast Thriller. Und dabei einer, der ohne jede Genre-typische Spannung auskommt. Ohne ermittelnde Polizisten (zumindest weitgehend).

    Letztendlich sehen wir das Knastleben von Carson, einem jungen Noogar Aboriginal, aus der Sicht von vielen. Das Elend im Australischen Gefängnissystems. +

    Passt perfekt zu Steinigung von Peter Papathanasiou, wo das Elend von außen zu sehen war. Jetzt geht es rein in den Knast.

    Ein bunter Reigen von Beobachtern gibt sich die Ehre: Diejenigen die weiß sind, lügen sich meist selbst in die Tasche (und negieren den Betriebs- respektive Systembedingten Rassismus). Rassen und Klassenunterschiede sehen nur die, die auf der anderen Seite sind. Und selbst die sind froh, wenn es noch jemanden zum draufhauen gibt.

    Und am Ende all dieser Facetten gibt es natürlich kein Happy End. Da spricht sowieso jede Statistik dagegen…

    Bereits 1991 hatte die „Royal Commission into Aboriginal Deaths in Custody“ – die höchste, von lokalen Gegebenheiten weitgehend unbeeinflusste Untersuchungsinstitution Australiens – für einen Zeitraum von zehn Jahren neunundneunzig Todesfälle untersucht und war zu dem Schluss gekommen: „Wenn Weiße in Polizeigewahrsam im selben Verhältnis gestorben wären … hätten wir es mit fast 9.000 Toten zu tun.“ 
    
    Alf Mayer im Culturmag.
    

    Nüchtern, lakonisch und ein schlichte aber extem überzeugende Anklage.

    Soundtrack dazu: Creeping Jesus – Death Is Common, was sonst?

    PS: Mehr dazu hier!

  • Bücher, schnell gelesen: 1.705

    Bücher, schnell gelesen: 1.705

    Alexander Pfeiffer – Terrorballade (Edition Outbird, 2024)

    Gelesen: 09. – 11.05.2024 (netto 220 Seiten)

    Da hatte aber jemand eine ganz feine Spürnase!

    Das Buch ist am 01.02.2024 erschienen, am 26.04.2024 wurde Daniela Klette in Berlin festgenommen.

    Was hat das miteinander zu tun? Ganz einfach, Alexander Pfeiffer entwirft ein ziemlich cooles Krimi Szenario rund um die RAF Rentner (Burkhard Garweg, Ernst-Volker Staub und eben Daniela Klette) und verpackt das ganze mit jeder Menge street credibility.

    Und platziert das ganze in seiner Heimat Wiesbaden, die nicht nur Heimat des BKA sondern, im Gegensatz zu den vorherigen Generationen der RAF, auch eng verknüpft mit der sogenannte Dritten Generation der RAF war.

    Sänger, der echte Name bleibt im dunkeln, ist arbeitslos und hat in der Vergangenheit mal detektivische Aufgaben erledigt. Eine alte Bekannte aus der linken resp. RAF Unterstützerszene überredet ihn, ihren alten Freund und WG Mitbewohner Robby zu suchen.

    Auch diese Figur im Buch ist dem Umfeld der RAF Renter entnommen, das ist ziemlich offensichtlich der V-Mann Klaus Steinmetz.

    Sänger selbst war immer nur zynischer Beobachter der Szene, so wie er als Filmvorführer immer Filme von außen beobachtet hat. Hingezogen fühlte er sich nie, aus guten Gründen (er spricht mir aus der Seele):

    ( (c) Edition Outbird, 2024)

    Den Auftrag nimmt er an, das Geld kann er für Alkohol (und Miete) gut gebrauchen. Und fängt an in der Vergangenheit zu buddeln. Und – dank seiner Beoabachterrolle damals – findet auch langsam Zugang zum Kern der Geschichte: Wer sucht eigentlich wen und warum? Wer hat eigentlich wen warum verraten?

    Alexander Pfeiffer verpackt das ganze wirklich smart und bietet dabei drei Dinge: Eine spannende Detektivgeschichte im radikalen linken Milieu, eine ziemlich schonungslose Familienstudie ala “was ist aus ihnen geworden” sowie ein extrem elegant angelegtes alternatives Narrativ über die RAF Rentner und den V-Mann.

    Als Zugabe noch jede Menge Alkohol und zügellosen Sex. Und passende musikalische Referenzen.

    Könnte so gewesen sein.

    Als Bonus für mich kommt dann auch noch jede Menge Hamburger Lokalkolorit, da Sänger Robby in Hamburg verortet und sucht.

    Klasse Buch, schöne – wohl nur ganz leicht verschobene – Realität aus einer längs untergegangenen Zeit. Und ein kleiner, böser, Stachel im traditionellen Narrativ einer Szene, die ich so einschätze wie Sänger.

    Gerne mehr!

    Soundtrack dazu: Sods – R.A.F., was sonst?

    PS: Und Alexander Pfeiffer so?

    PPS: Und ganz wunderbar bei Simone Buchholz hat er auch noch geräubert: Die Staatsanwältin in Hamburg ist … eine Simone Buchholz. Und am LKA41 in Hamburg ermittelt … ein Roland Spranger. Ich finde es schön, wenn die Namensfindung von fiktiven Charakteren … festen Regeln folgt.

    PPPS: Wiesbaden, Horst Herold (aka Der Letzte Gefangene Der RAF) und meine verschwendete Jugend

  • Bücher, schnell gelesen: 1.704

    Bücher, schnell gelesen: 1.704

    Louisa Luna – Abgetaucht (Suhrkamp, 2024)

    Gelesen: 06. – 08.05.2024 (netto 446 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Karin Diemerling.

    Das erste Buch aus der Reihe in Deutsch (das zweite aus der Alice Vega Reihe) war ein ziemlich flotter Kracher, sehr modern und mit fast schon hektischem Tempo.

    Abgetaucht nimmt das Tempo etwas zurück und verlagert den Inhalt tief ins Ur-amerikanische: College Football Legenden vorne, eine miese Suppe aus Hinterwäldler-Nazis und INCEL’s hinten. Tief im Nord-Westen der US of A, in Ilona, Oregon.

    Alice Vega soll diesmal einen 1984 verwundenen College Football Star namens Zeb Williams suchen. Dieser wurde am 17.11.1984 zur Legende, als der kurz vor Schluss des Spiels den Ball nicht Richtung gegnerische Endzone trug. Sondern in die andere Richtung. Und aus dem Stadion lief. Und für immer verschwand.

    Seine ex-Freundin aus College Zeiten, eine Reiche Erbin, ist inzwischen verheiratet. Und ihr Mann beauftragt Alice mit der Suche. Als einziger Anhaltspunkt dient ein Foto … aus Ilona, Oregon.

    Dort trifft Alice zwar Leute, die Zeb gekannt hatten, aber schon lange ist er aus Ilona verschwunden. Dennoch bleibt Alice dort hängen und legt sich mit den lokalen Nazis an. Und holt sich eine blutige Nase und kriecht schwer verletzt nach Hause zurück.

    Im zweiten Anlauf wird das ganze dann aufgedröselt, Alice nimmt keine Gefangenen und …

    … kann sogar ihren Partner Caplan, der sich lieber um seine Tochter kümmerte, mit einbeziehen. Und das FBI.

    Das Buch ist nicht ganz so klasse wie Tote Ohne Namen, aber dennoch flott zu lesen und mit vielen falschen Fährten. Und einer schönen Abhandlung darüber, was für Irre die US of A hervorbringen. Aber das die Liebschaft mit Caplan in diesem Buch quasi im nichts endet, das passt irgendwie nicht.

    Und auch, dass Alice mit dem FBI und ihrem Hacker-Kumpel Bastard immer wieder ein Ass aus dem Ärmel zieht – das ist irgendwann unrealistisch.

    Weniger Groß, mehr Intim. Weniger Tempo, mehr Hintwerwäldlertiefe. Weniger Caplan, mehr Alice.

    Jetzt darf Suhrkamp aber auch bitte den Erstling aus der Serie veröffentlich, bevor Band 4 in Deutsch erscheint.

    Ich mag Alice Vega, ist irgendwie eine amerikanische Lisbeth Lasander.

    Soundtrack dazu: The Weirdos -The Hideout, was sonst?

    PS: Und Louisa Luna so?

    PPS: Und College Football 1984 so?