Tag: Polar Verlag

  • Bücher, schnell gelesen: 1.679

    Bücher, schnell gelesen: 1.679

    Doug Johnstone – Eingefroren (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 07.01. – 08.01.2024 (netto 378 Seiten)

    Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.

    Ein mehr als würdiger Nachfolger für Eingeäschert, die Geschichte um die Frauen der Familie Skelf wird nahtlos weitergeführt.

    Am Ende von Eingeäschert hatten Dorothy, Jenny und Hannah jede Menge Ballast – vor allem hinterlassen von und durch Jennys ex-Gatten Craig. Der sitzt in Untersuchungshaft und sein zukünftiger Prozess wirft dunkle Schatten.

    Das Intro zum Buch ist wieder ein ganze feiner Kniff von Doug Johnstone: Die Skelf-Ladies sind ja nicht nur Privatdetektive sondern auch Bestatter und in eine beschauliche Bestattung donnert ein Auto. Verfolgt von einem Polizeiauto. Und landet im Grab, dito der Fahrer. Ein unbekannter Obdachloser killt sich in seiner geklauten rollenden Wohnung. Und hinterlässt einen Einäugigen Hund.

    Und bei Dorothy den Wunsch dem obdach- und namenlosen Jungen ein ordentliches Begräbnis zu verschaffen. Aber dazu müssen sie erstmal einen Namen haben. Und die Suche nach dem Namen (und der Vergangenheit) des Jungen ist er rote Faden im Buch.

    Aber das ist nur das Hintergrundrauschen, vorne haben die drei ganz andere Fälle zu lösen: Dorothy versucht herauszufinden, warum eine ihre Schlagzeugschülerinnen von zuhause abgehauen ist. Jenny versucht zu Ergründen was Craig im Schilde führt (und ob Liam ihre neue Liebe ist). Hannah sucht nach den Gründen, warum eine Professor ihrer Uni sich umgebracht hat (und zwar nachdem er mit ihr über Schrödingers Katze und Quantenunsterblichkeit diskutiert hat).

    Aus kleinen Detektivgeschichten werden große Geschichten, die Doug Johnstone dann am Ende fast schon banal auflöst. Aber das Banale ist fies, bös und gemein. Und das Beschäftigen mit dem Banalen zeigt auch, wie fragil die Band innerhalb der Familie sind, wie Fragil Beziehungen mit einer der Skelf-Frauen sein können.

    Und so zieht es das Buch zum Ende ziemlich heftig nach unten, vor allem auch weil Craig voller Rachephantasien aus dem Knast entkommen ist und Hannah ihm nur einen Finger (und nicht das Leben) genommen hat.

    Cliffhänger. Perfekt, den die Skelf-Serie soll eine Trilogie werden.

    Und der Tote? Hat einen Namen (James Dundas), kommst aus reichem Haus und wurde von seinem Vater (Offizier) verstoßen weil er schwul ist. Das hat ihn so umgehauen, das er Alkohol und Heroin brauchte um sich zu betäuben.

    Und wird würdevoll beerdigt.

    Ein Buch voller starker Frauen, schwarzem Humor und voller existentieller Fragen. Und dem Universum und überhaupt.

    ( (c) Polar Verlag 2023)

    Wird das dritte Buch dann Erlösung für die Skelf Frauen bringen? Doug Johnstone strebt in seinen Büchern nach meinem Gefühl ehr nicht so nach einem einfachen Happy End, daher würde ich nicht darauf wetten. Zumal seine Bücher zeigen, dass Handlungen immer Konsequenzen haben…

    Soundtrack dazu: W.O.R.M. – He Came Across The Universe, was sonst?

    PS: Der Originaltitel ist The Big Chill und passt deutlich besser zur Geschichte (siehe Referenz oben). Der Deutsche Titel und Umschlag passt dagegen besser in die Polar Serie (“Eingeäschert”, “Eingefroren”, … – das dritte Buch ist noch nicht einmal geschrieben). Puh, schwere Entscheidung…

    PPS: Und Doug Johnstone so? Cooler Typ, ctd.

  • Bücher, schnell gelesen: 1.678

    Bücher, schnell gelesen: 1.678

    Anthony J. Quinn – Frau Ohne Ausweg (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 03.01. – 06.01.2024 (netto 286 Seiten)

    Aus dem Englischen von Sven Koch.

    Die Serie um Inspektor Celcius Daley erscheint im Polar Verlag ‘n büschen … vorwärts rückwarts.

    Zuerst erschien 2020 mit Gestrandet der eigentlich 5te Band der Serie, danach 2021 mit Auslöschung der erste Band der Reihe. Frau Ohne Ausweg ist im Original der 2te Band … ich erwarte dann Band 4 2024 und dann Band 3 …

    Das gute ist aber das alle Bücher, obwohl sehr ähnlich in Setting und Bildsprache, auch in sich geschlossen sind und tatsächlich wohl in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können.

    So sehr ich Crime und Noir aus L.A. liebe, so sehr hat sich auch Nordirland in mein Herz geschrieben: Sam Millar, Stuart Neville, Adrian McKinty … und eben auch Anthony J. Quinn.

    Die Frau ohne Ausweg ist Lena Novak, ein hübsches Mädchen irgendwo aus den Bergen ex-Jugoslawiens. Und mehr oder weniger auf den ersten Besten reingefallen, der ihr ein Leben woanders versprochen hat. Woanders entpuppte sich als billiges Bordell in der Grenzregion zwischen der Republik Irland und Nordirland, betrieben durch ihren Verführer und lokalen osteuropäischen Gangsterboss Josip Mikolajek.

    Dailey stolpert quasi in diesen Fall und während seine Kollegen das offensichtliche Untersuchen (ein Auto samt Gangster ist in Flammen aufgegangen) sieht er die Spuren von nackten Füssen im Schnee … und fragt sich wer da ohne Schuhe weggelaufen ist.

    Und ab da ist es ein ganz wunderbares Buch, das sich vor allem mit Grenzgängen beschäftigt, ein Grenzgänger ist Dailey. Denn er hat sich mehr oder weniger in die wunderbare Lena verguckt und versucht sowohl den eigentlichen Fall (der in Nordirland natürlich direkt zu den Nutznießern der Troubles führt) zu lösen als auch Lena zu retten. Obwohl sein Chef ihm das mehr als einmal untersagt, da der nur eine verschwundene illegale Einwanderin sieht.

    In einem Nordirland voller brandneuer, verlassener Wohnsiedlungen, die während des Booms gebaut und während der Pleite verlassen wurden. Gebaut und geputzt von Osteuropäern, legal oder illegal – aber immer verachtet von den Einheimischen.

    Und wie in den anderen Büchern bereits schafft es Anthony J. Quinn das Kopfkino perfekt mit Bildern des Grenzgebietes und ihrer Natur zu befüllen. Das Grenzland, in dem Celcius und Lena agieren, ist übersät mit gesprengten Brücken und Gebäuden, verlassenen Häusern und dichten Wäldern. Dunkel, windig. Elend.

    Spannend angelegt und am Ende mit einen ganz wunderbaren Höhepunkt an weiblicher Rachkunst.

    Großartig, jetzt bitte auch den Rest!

    Soundtrack dazu: Swell Maps – Border Country, was sonst?

    PS: Das kundige Nachwort von Christian Koch stellt die drei beherrschenden Thema der Bücher von Anthony J. Quinn heraus – GRENZE, NATUR, GESCHICHTE. Und trifft damit den Nagel auf den Kopf.

    PPS: Und Anthony J. Quinn … klingt so…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.675

    Bücher, schnell gelesen: 1.675

    Heather Levy – Der Süsseste Tod (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 22. – 26.12.2023 (netto 352 Seiten plus Nachwort von Sonja Hartl)

    Aus dem Amerikanischen von Kathrin Bielfeldt.

    Harte Lesekost für die “besinnlichen” Tage. Aber die ehr zufällige Reihenfolge in meinem Leserückstand hat mir dieses großartige Buch aus der Polar Dark Places Reihe quasi zu Weihnachten geschenkt.

    Alleine schon der Einstieg: 1994, irgendwo im Farmland von Blanchard, Oklahoma. Die 16 jährige Samantha (aka Sam) denkt an ihren Stiefbruder, masturbiert und schnürt ich dabei die Luft ab. Denn Sam hat früh gelernt das die Lust, die Erlösung, sie nur ereilt wenn sie sich Schmerzen zufügt.

    Und damit bekommen wir eine ordentliche Portion der Autorin mit auf den Weg, oder?

    Ich spreche offen über meinen Masochismus und im Laufe der Jahre haben mich die Leute manchmal gefragt, ob ich in meiner Jugend sexuell missbraucht wurde. 
    
    Sie versuchten, einen Auslöser für meine Sexualität zu finden, obwohl ich in Wahrheit einfach schon immer so war. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn ein Sexualtäter von dem angeborenen Masochismus eines Menschen wüsste und ihn manipulieren würde, um ihn zu missbrauchen. 
    
    Ich wollte herausfinden, wie sich das auf die Sexualität des Überlebenden als Erwachsener auswirken würde.
    
    (Sonja Hartel, Interview mit Heather Levy in CrimeMag September 2023)
    

    Nicht umsonst ist Heather Levy die Autorin einer Sachtext-Reihe über menschliche Sexualität, einschließlich „Welcome to the Dungeon: BDSM in the Bible Belt“ für Literati Press.

    Und damit wird ein ziemliches großes Dunkles Tor geöffnet: Sam liebt ihren Stiefbruder Eric (aka Arrow) und liebt die Erlösung, die sie durch die Brutalität von Eric’s Vater (aka Isaac) findet. Ihre Mutter, voller Liebe für Isaac ist natürlich stereotypisch Opfer-blind. Einzig ihre Großmutter, die auch auf der Farm lebt, hat alles im Blick. Aber ruft auch nicht die Cops.

    Geschickt springt Heather Levy zwischen heute (2009) und damals (1994) hin- und her, jeweils aus der Sicht von Sam oder Eric. Schnell ahnt der Leser das 1994 irgendwas passiert ist was die beiden auseinandergebracht hat.

    Und diese Punkt, den arbeitet Heather Levy ganz wunderbar fies und langsam heraus:

    Ich hielt es für wichtig, dass die Lesenden Sam und Eric zum Zeitpunkt ihrer Traumata und später im Erwachsenenalter kennenlernen und erfahren, wie sich das auf sie ausgewirkt hat. 
    
    Von der Struktur her konnte ich durch die zwei Zeitebenen auch mehr Spannung erzeugen, aber es war schwierig, die richtige Balance zu finden, damit die Leser dem Buch folgen konnten.
    
    (Sonja Hartel, Interview mit Heather Levy in CrimeMag September 2023)
    

    2009 stehen dann die Cops vor der Tür, der weiße Chevy von Isaac ist in einem Teich gefunden worden (wo er wohl seit 1994 lag) und an der Leiche konnten Spuren von Gewalt identifiziert werden. Und damit sind sowohl Sam als auch Eric tatverdächtig.

    Ab da geht es im Buch um Vertrauen: Gewinnen, behalten. Wie bei Sex, in dem Gewalt gewollter Bestandteil ist. Und auf Vertrauen fußt.

    Ziemlich hartes Buch, obwohl kein wirklicher Krimi. Mehr eine ganz, ganz Dunkle Psychogeschichte. Zumal geborene und ungeborene Kinder eine große Rolle spielen.

    Das Buch erzeugt eine dichte, fasst atemlose Atmosphäre. Voller Sex und Gewalt, allerdings ohne das dieser dabei plakativ eingesetzt wird – er erzeugt ehr eine intime und unheilvolle Atmosphäre.

    Nur was für starke Mädchen. Wie Sam.

    Soundtrack dazu: Complete Loss – Needle Park, was sonst?

    PS: Und Heather Levy so?

    PPS: Das deutsche Cover ist mir ein wenig zu plakativ…

    Heather Levy – Walking Through Needles (Polis Books, 2021)

    PPPS: Und Blanchard, Oklahoma. Hat Pro’s und Con’s 🙂