Tag: Polar Verlag

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    Bücher, schnell gelesen: 1.789

    Jon Bassoff – Todestaufe (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 15. – 22.09.2025 (netto 305 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Sven Koch.

    Ganz selten einmal hab ich einen WOW Effekt bei dem deutschen Titel eines Buches. Hier war mal wieder so weit: Aus dem Original Beneath Cruel Waters wurde Todestaufe. Kann passen, muss nicht passen.

    Und dann, auf Seite 305, kommt der Knaller. Und der deutsche Titel schlägt den amerikanischen um … Lichtjahre (einzig das Stock-Foto auf dem Titel passt so garnicht).

    Jon Bassoff schreibt in der Regel Genregrenzgänger. Horror? Crime? Thriller? Ich glaube er kann alles. In Todestaufe schafft er eine perfekte Balance zwischen einem langsamen Psychothriller (mit einem ziemlich fesselnden und verstörenden Fixpunkt) und einer emotionalen Coming-of-Age-Geschichte. Und erinnert den Leser daran das eine impulsive Entscheidung den Verlauf eines Lebens komplett verändern kann.

    Und auch daran, dass Geheimnisse um des Scheins willen und Lügen letztlich zur Tragödie führen, besonders wenn sie im Namen der Religion geschehen.

    Auf gehts nach Thompsonville, Colorado. 1984.

    Eine Frau betritt das Haus eines Mannes und feuert drei Schüsse ab: Einen in den Bauch, zwei in die Brust. Nachdem er seinen letzten Atemzug getan hat, zückt sie eine alte Polaroid-Kamera, macht ein Foto und geht zur Tür hinaus.

    34 Jahre später kehrt dieselbe Frau in das inzwischen baufällige, niedergebrannte Haus zurück, liest eine Bibelstelle und erhängt sich anschließend.

    In Deerfield, Kansas, wacht Feuerwehrmann Holt Davidson in einem billigen Motel neben einer Kellnerin auf, die er am Vorabend in einem Straßencafé aufgegabelt hat. Die unwillkommenen Fragen der verheirateten Frau nach seiner Identität werden durch einen Anruf unterbrochen, in dem ihm mitgeteilt wird, dass Vivian, seine Mutter, Selbstmord begangen hat.

    Was für ein cooler Start in die Geschichte.

    Von da an seziert Jon Bassoff quasi die Story: Er enthüllt Geheimnisse und Details gaaaanz laaangsam Stück für Stück, sodass der erfahrene Crime Leser Hinweise und Informationsfetzen zu eigenen Theorien entwickeln kann.

    Mehr als einmal schickt er dabei den Leser nicht auf eine falsche Fährte sondern lasst die Geschichte schlicht und einfach nicht vorhersehrbar weitergehen. Dazu ist das Buch eine außerordentlich Düster, perfekt Hoffnungslos und es ruft alle Geister herbei, besonders der Kindheit.

    Und während der Leser grübelt, gräbt Holt in seiner Familiengeschichte. Tief. Immer tiefer. Immer fieser. Und dann kommt die Todestaufe.

    Auf Seite 305.

    Ein fesselndes Buch mit WOW Effekten.

    Soundtrack dazu: Debt Neglectors – Bad Faith, was sonst?

    PS: Jon schafft auch relevante Settings…

    ( (c) Polar Verlag 2025)

    PPS: Und Jon hat Humor…

    PPPS: Und nach dem Buch wurde auch ein Song gemacht

  • Bücher, schnell gelesen: 1.788

    Bücher, schnell gelesen: 1.788

    Alan Parks – Möge Gott Dir Vergeben (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 05. – 14.09.2025 (netto 399 Seiten)

    Aus dem schottischen Englisch von der wunderbaren Conny Lösch (ein Qualitätsmerkmal).

    Und wieder bleibt Alan Parks seinem coolen Setting treu: Der fünfte Fall von Harry McCoy spielt vom 20.05.1974 bis zum 30.05.1974, wieder 10 Tage realistische Polizeiarbeit, wieder ein tiefe Hate/Love Story an das Glasgow der 1970er.

    20.05.1974: McCoy steht vor einer wütenden Menge, die den Glasgower Sheriff Court belagert. Das Volk will Blut sehen, Hang ’em high ist der Slogan. McCoy ist geradeben aus dem Krankenhaus entlassen und noch nicht vollständig von einem Magengeschwür genesen. Was treibt ihn in das Chaos?

    Bei einem Brandanschlag auf einen Friseursalon sind Menschen gestorben. Drei Jugendliche wurden festgenommen. Der Mob lechzt nach ihrem Blut, doch als der Gefangenentransporter sie vom Gerichtsgebäude zum Gefängnis bringen soll, wird er von einem Lastwagen gerammt und die Jungen werden befreit.

    Niemand scheint sich groß darum zu kümmern, warum die drei jungen Männer dies getan haben. Außer McCoy natürlich und seinem Chef Murray, der seinem Detektiv erlaubt, herumzuschnüffeln und mit seinem Gangster-Freunden zu sprechen um Antworten zu finden.

    Daneben soll er seinem Kollegen Wattie helfen einen anderen Fall zu lösen und bekommt noch einen Selbstmord zur Untersuchung.

    Der Leser merkt schnell das am Ende alle drei Fälle zusammenhängen (und ein kleiner Hint ist auch früh versteckt), aber Alan Parks hält die ganze Zeit die Spannung hoch. Und wie?

    Ganz einfach: McCoy und sein Chef folgen quasi immer den ersten und offensichtlichen Spuren. Und finden nix. Weder Motiv noch Täter. Erst zum Ende fragt sich McCoy, ob sie überhaupt die richtigen Fragen an die richtigen Personen stellen.

    Und als er das macht, öffnen sich alle Fälle wie ein offenes Buch. Der Weg dahin ist aber voller Gewalt (und mit reichlich Toten), inklusive sehr bildlicher Folter. An Schuldigen. Dazu ein traurig überzeugender Handlungsstrang zum Thema Kindesmissbrauch und Kirche. Harte Kost.

    Aber perfekt in Szene gesetzt. Die Schauplätze sind überzeugend – der schreckliche Schmutz von billigen Wohnungen und Shebeens, die grauenhafte Einrichtung der aufstrebenden Gangsterhäuser. Das Wetter.

    Und erfährt McCoy Vergebung oder erteilt er Vergebung?

    30.05.1974:

    ( (c) Polar Verlag 2025)

    Auf keinen Fall!

    Soundtrack dazu: Gallows – The Great Forgiver, was sonst?

    PS: Glasgow 1974 …

  • Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Gregory Galloway – Die Verpflichtung (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 01. – 04.09.2025 (netto 262 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Karin Karen Witthuhn.

    Eine echte Perle, ein echter Noir. Und ein echter MacGuffin.

    Gregory Galloway schickt Rick (Erzähler) und Frank – Einbrecher aus Berufung – auf die einfache Jagd nach einem einfachen Gegenstand. Der Gegenstand selbst ist unwichtig (und entpuppt sich als ehr sinnfreie Lacrosse Trophäe) denn er beschäftigt den Leser weit weniger als die persönlichen Turbulenzen der Verfolger des Objekts.

    Rick und Frank, kleinkriminelle Partner und ex-Junkies, sind mit einem Auftrag außerhalb einer namenlosen amerikanischen Stadt beschäftigt. Ihr Auftraggeber hat ihnen einen einfachen Auftrag versprochen, doch Rick ist bei jedem Auftrag nervös: Der Job war immer einfach. Alles andere stellte sich als das Problem heraus.

    Und tatsächlich wird Ricks und Franks Auftrag durch die Anwesenheit eines toten Pferdes auf der Straße vor ihrem Hotel gestört. Frank mach das nervös und daher geraten beide in Zeitnot. Am Ende klaut Rick dann doch das Ding.

    Auf dem Weg zurück zu ihrem Hotel geraten sie in einen Verkehrsunfall und werden getrennt. Während Frank auf einen Abschleppwagen wartet, schafft es Rick mit dem Ding in der Hand zurück zum Hotel.

    Logo das es ab hier bergab geht, für beide. Frank zahlt mit seinem Leben, Rick mit … ganz viel Angst.

    Ein perfekter Noir-Roman, spannende Rückblenden (sind Rick und Frank Partner und/oder Paar?) und perfekte Charaktere.

    Dazu das Genere typische Drumherum (das null nervt): Treffen in einem Diner, Aphorismen aus dem Mund von Kriminellen, Ricks Voiceover-artige Erzählung mit ihrer „Hätte ich das nur gewusst“-Tonlage – gegenüber den alten S/W Hollywood Noir Filmen sind nur Sachen wie WLAN, SMS und zu hackende elektronische Alarmsysteme fehl am Platz.

    Im Schlusswort (“Komplizen und Leichte Ziele“) liefert Galloway eine lange Liste von klassischen Kriminalromanen und Drehbüchern aus denen er Zitate entliehen hat (funktioniert halt nur in Englisch so richtig gut, wo ein Teil der Zitate in der amerikanischen Kultur fester Bestandteil sind).

    Das Nachwort von Jon Bassoff erklärt hier einiges und mich hat es darin bestärkt das dieses Buch weniger eine plumpe Hommage ist sondern mit feiner Nadel gestrickt wurde.

    Wow, ein echtes Kleinod voller Historie aber tief im hier und jetzt. Moderner Noir. Cool.

    Soundtrack dazu: The Celibate Rifles – Kiss Me Deadly, was sonst?

    PS: Nur echt mit Book Trailer …

    PPS: Und Gregory so?