Tag: Polar Verlag

  • Bücher, schnell gelesen: 1.788

    Bücher, schnell gelesen: 1.788

    Alan Parks – Möge Gott Dir Vergeben (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 05. – 14.09.2025 (netto 399 Seiten)

    Aus dem schottischen Englisch von der wunderbaren Conny Lösch (ein Qualitätsmerkmal).

    Und wieder bleibt Alan Parks seinem coolen Setting treu: Der fünfte Fall von Harry McCoy spielt vom 20.05.1974 bis zum 30.05.1974, wieder 10 Tage realistische Polizeiarbeit, wieder ein tiefe Hate/Love Story an das Glasgow der 1970er.

    20.05.1974: McCoy steht vor einer wütenden Menge, die den Glasgower Sheriff Court belagert. Das Volk will Blut sehen, Hang ’em high ist der Slogan. McCoy ist geradeben aus dem Krankenhaus entlassen und noch nicht vollständig von einem Magengeschwür genesen. Was treibt ihn in das Chaos?

    Bei einem Brandanschlag auf einen Friseursalon sind Menschen gestorben. Drei Jugendliche wurden festgenommen. Der Mob lechzt nach ihrem Blut, doch als der Gefangenentransporter sie vom Gerichtsgebäude zum Gefängnis bringen soll, wird er von einem Lastwagen gerammt und die Jungen werden befreit.

    Niemand scheint sich groß darum zu kümmern, warum die drei jungen Männer dies getan haben. Außer McCoy natürlich und seinem Chef Murray, der seinem Detektiv erlaubt, herumzuschnüffeln und mit seinem Gangster-Freunden zu sprechen um Antworten zu finden.

    Daneben soll er seinem Kollegen Wattie helfen einen anderen Fall zu lösen und bekommt noch einen Selbstmord zur Untersuchung.

    Der Leser merkt schnell das am Ende alle drei Fälle zusammenhängen (und ein kleiner Hint ist auch früh versteckt), aber Alan Parks hält die ganze Zeit die Spannung hoch. Und wie?

    Ganz einfach: McCoy und sein Chef folgen quasi immer den ersten und offensichtlichen Spuren. Und finden nix. Weder Motiv noch Täter. Erst zum Ende fragt sich McCoy, ob sie überhaupt die richtigen Fragen an die richtigen Personen stellen.

    Und als er das macht, öffnen sich alle Fälle wie ein offenes Buch. Der Weg dahin ist aber voller Gewalt (und mit reichlich Toten), inklusive sehr bildlicher Folter. An Schuldigen. Dazu ein traurig überzeugender Handlungsstrang zum Thema Kindesmissbrauch und Kirche. Harte Kost.

    Aber perfekt in Szene gesetzt. Die Schauplätze sind überzeugend – der schreckliche Schmutz von billigen Wohnungen und Shebeens, die grauenhafte Einrichtung der aufstrebenden Gangsterhäuser. Das Wetter.

    Und erfährt McCoy Vergebung oder erteilt er Vergebung?

    30.05.1974:

    ( (c) Polar Verlag 2025)

    Auf keinen Fall!

    Soundtrack dazu: Gallows – The Great Forgiver, was sonst?

    PS: Glasgow 1974 …

  • Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Gregory Galloway – Die Verpflichtung (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 01. – 04.09.2025 (netto 262 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Karin Karen Witthuhn.

    Eine echte Perle, ein echter Noir. Und ein echter MacGuffin.

    Gregory Galloway schickt Rick (Erzähler) und Frank – Einbrecher aus Berufung – auf die einfache Jagd nach einem einfachen Gegenstand. Der Gegenstand selbst ist unwichtig (und entpuppt sich als ehr sinnfreie Lacrosse Trophäe) denn er beschäftigt den Leser weit weniger als die persönlichen Turbulenzen der Verfolger des Objekts.

    Rick und Frank, kleinkriminelle Partner und ex-Junkies, sind mit einem Auftrag außerhalb einer namenlosen amerikanischen Stadt beschäftigt. Ihr Auftraggeber hat ihnen einen einfachen Auftrag versprochen, doch Rick ist bei jedem Auftrag nervös: Der Job war immer einfach. Alles andere stellte sich als das Problem heraus.

    Und tatsächlich wird Ricks und Franks Auftrag durch die Anwesenheit eines toten Pferdes auf der Straße vor ihrem Hotel gestört. Frank mach das nervös und daher geraten beide in Zeitnot. Am Ende klaut Rick dann doch das Ding.

    Auf dem Weg zurück zu ihrem Hotel geraten sie in einen Verkehrsunfall und werden getrennt. Während Frank auf einen Abschleppwagen wartet, schafft es Rick mit dem Ding in der Hand zurück zum Hotel.

    Logo das es ab hier bergab geht, für beide. Frank zahlt mit seinem Leben, Rick mit … ganz viel Angst.

    Ein perfekter Noir-Roman, spannende Rückblenden (sind Rick und Frank Partner und/oder Paar?) und perfekte Charaktere.

    Dazu das Genere typische Drumherum (das null nervt): Treffen in einem Diner, Aphorismen aus dem Mund von Kriminellen, Ricks Voiceover-artige Erzählung mit ihrer „Hätte ich das nur gewusst“-Tonlage – gegenüber den alten S/W Hollywood Noir Filmen sind nur Sachen wie WLAN, SMS und zu hackende elektronische Alarmsysteme fehl am Platz.

    Im Schlusswort (“Komplizen und Leichte Ziele“) liefert Galloway eine lange Liste von klassischen Kriminalromanen und Drehbüchern aus denen er Zitate entliehen hat (funktioniert halt nur in Englisch so richtig gut, wo ein Teil der Zitate in der amerikanischen Kultur fester Bestandteil sind).

    Das Nachwort von Jon Bassoff erklärt hier einiges und mich hat es darin bestärkt das dieses Buch weniger eine plumpe Hommage ist sondern mit feiner Nadel gestrickt wurde.

    Wow, ein echtes Kleinod voller Historie aber tief im hier und jetzt. Moderner Noir. Cool.

    Soundtrack dazu: The Celibate Rifles – Kiss Me Deadly, was sonst?

    PS: Nur echt mit Book Trailer …

    PPS: Und Gregory so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.781

    Bücher, schnell gelesen: 1.781

    Samuel W. Gailey – Tiefer Winter (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 27. – 30.07..2025 (netto 269 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf.

    Endlich was neues von Samuel W. Gailey, sein erstes Buch bei Polar war gleich mein Buch des Jahres 2024. Und damit war ich Flitzebogengespannt was das nächste Buch bringt.

    Im Klappentext steht: Seine Geschichten sind faszinierende Studien menschlicher Schicksale.

    Und mehr noch als Die Schuld ist Tiefer Winter (übrigens sein Debüt) exakt das. Es spielt in Wyalusing, im Nord-Osten von Pennsylvania. US of A. Isoliertes Hinterland, 98% Weiß, 500+ Einwohner. In der Ecke ist Samuel W. Gailey aufgewachsen.

    Danny Bedford ist sowas wie der Dorftrottel. Als Kind ist er mit seinen Eltern im Eis eingebrochen, er hat mit einem Hirnschaden (wg. Sauerstoffmangel) überlebt, seine Eltern sind Tod. Er kann vieles nicht, was andere können.

    Ein Riesenbaby mit einfachen Gemüt. Aber einem guten Gefühl für Menschen, die ihn ohne Vorurteile sehen. So wie Mindy, die in seinem Frühstücksrestaurant kellnert.

    Und neben ihr wacht Danny auf. In ihrem Trailer. Und Mindy ist Tod. Und dann blendet Samuel W. Gailey 18 Stunden zurück.

    Und zerlegt die kleine Gemeinschaft in Wyalusing in seine Einzelteile. Gewalttätige Cops. Rechtschaffene Bürger. Jede Menge Irre mit Alkohol- und Drogenproblemen. State Trooper, die an der Flasche hängen.

    Und Danny als Sündenbock, das wird schnell klar. Aber die ganzen Irren die sich da so tummeln verkacken es, so das aus Mindys Familie noch mehr sterben, Irre sich die Birne wegblasen.

    Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, was die Spannung und das Tempo voranbringt. Schnell wird klar, das es auf einen echten Showdown zuläuft.

    Neben Danny und ein paar netten Dorfbewohnern (zukünftige Opfer, was sonst) gibt es wunderbar unangenehme Charaktere:

    Sokowski, der Deputy, Trinker, Drogenhändler und On-Off Freund von Mindy, und sein Kumpel Carl. Tatsächlich sind die Bösewichte so schrecklich, dass sie fast schon Karikaturen sind.

    Das Buch spielt im tiefsten Winter, während eines Sturms, und ist auch vom Setting her fast unerbittlich düster.

    Das Ende bekommt Samuel W. Gailey dann ziemlich Klasse hin, in all dem Dreck, bei all den Toten und bei all der Verzweiflung kommt Danny endlich aus sich heraus.

    Und reüssiert als wertgeschätztes Mitglied der Gemeinde.

    Nicht ganz so überragend wie Die Schuld aber eine klasse Kleinstadtstudie voller Abgründe, Gewalt und einem hoffnungsvollem Ende.

    Get up, stand up, for your rights!

    Soundtrack dazu: White Kaps – Danny Mumbles, was sonst?

    PS: Und Samuel so?