Das erste Buch von Sybille Ruge war aus meiner Sicht:
Ein sehr cleverer Krimi aus einer aggressiven Ich-perspektive, wunderbar Sprunghaft und teilweise Assoziativ in seiner Erzählweise.
Der Nachfolger setzt dem ganzen insofern die Krönung auf, als das die Heldin sich diesmal fast komplett zurücklehnen kann und ihre “Kundschaft” sich quasi selbst richtet.
Diesmal ermittelt sie unter dem Tarnnamen Eve Klein in Herzen des Kapitalismus, im Stiftungswesen in Zürich. Wo ein deutscher Unternehmer eine Stiftungsfeigenblatt betreibt. Und da scheint was schief zu laufen.
Extrem bissige Kapitalismuskritik, großartige Typen und das Elend der Reichen.
Hab ich in dieser Härte und Bösartigkeit lange nicht so klar, so pointiert, gelesen. Und in so hohem Tempo, mit so viel bösartigem Sprachwitz.
Und am Ende? Gekillt (vom Profi), Gesprungen (vom Dach), geköpft (als Warnung) und verloren (als Kind).
Sollte am besten in der Schweiz umsonst verteilt werden. Was für eine elende Truppe, diese Banker, diese Reichen, diese Galeristen, diese Ehefrauen.
Danke für die Freude dieses Elend systematisch seziert zu bekommen!
Gelesen: 24.01. – 29.01. plus 02.02.2024 (netto 466 Seiten)
Aus dem australischen Englisch von Andrea O’Brien.
Ich muss gestehen das ich das Buch eine ganze Zeit lang links liegen gelassen habe, bevor es in meinem Leserückstand Einzug gehalten hat. Der Grund war das Cover samt Titel, das kommt irgendwie langweilig daher.
Im Original ist der Titel “Fire With Fire” und der passt 100% genau auf die Story. Schade, da haben die Buchgestalter was verpasst.
Das letzte Buch von Candice Fox war eine coole Pulp Story rund um einen Gefängnisausbruch, dieses Buch ist eine ebenso coole Story um das Thema “nimm das Recht in die eigene Hand“.
Und diese Story ist nicht platt sondern clever (und lustig): Die Eltern eines verschwunden Mädchens nehmen die Untätigkeit des LAPD nicht mehr hin. Und um Druck zu erzeugen den Fall zu klären … nehmen sie Beweise für andere ungeklärte Fälle als Geisel. In der Forensik. Und vernichten jede Stunde eine Probe.
Gegen sie steht das LAPD, aber das traut sich nicht einzugreifen – die Eltern haben Geiseln und eine Bombe. Und während das LAPD und das FBI die Geiselnahme verwalten macht sich ein gerade aufgeflogener Undercover Polizist auf die Such nach der verschwunden Tochter.
Denn die Forensik hat auch wichtige Beweise in seinem Fall (und seine 5 Jahre Undercover bei einer Biker-Gang sollen nicht umsonst gewesen sein). An seiner Seite (der einzige “geformte” Zufall im Buch) ein LAPD Frischling, der es geschafft hat am ersten Tag beim LAPD rauszufliegen (und der Grund ist herrlich komisch konstruiert … und zwar so, das er 100% real klingt).
Cleveres Setting und der Auftakt zu einem wahren Parforce-Ritt von Detective Charlie Hoskins und ex-Polizistin-für-einen-Tag Lynette Lamb. Das perfekte dysfunktionale Ermittler-Duo.
Und während die Verwaltung der Geiselnahme läuft … folgen Charlie und Lynette schlicht und einfach den alten Brotkrummen aus dem Fall. Und da Lynette keine Polizistin mehr ist und Charlie zuletzt auch ehr Biker als Detective war, überschreiten sie jede Menge Grenzen.
Ziemlich spannend, viel Slapstick Humor (das LAPD als Chaos-Polizei) und trotzdem eine ordentliche Portion Gewalt, Blut und Tot. Irgendwie schade das ich das nicht in einem Rutsch durchlesen konnte.
Gelesen: 09.01. – 14.01.2024 (netto 433 Seiten, ich hab das Buch in der Bahn auf der Hin- und Rückfahrt zu einem Arbeitstermin gelesen, netto ca. 10h über 2 Tage)
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea O’Brien.
Ein flottes Buch mit hohem Tempo. Und einem sehr aktuellen Background: Die Lage an der Grenze zwischen den US of A und Mexico, Kartelle, Drogenschmuggel, Kinderprostitution, DEA und DHS. Und mittendrin der Drang von amerikanischen Sicherheitsbehörden Arbeit an Privat zu vergeben.
Und das ist auch hier der Aufhänger: Die DEA möchte gerne das Alice Vega, Expertin im Aufspüren von verschwundenen Personen, zwei tote mexikanische Mädchen identifiziert. Zuviel andere Arbeit, keine Zeit für eine solche Untersuchung.
20k$ cash auf die Hand.
Und das irritiert Alice. Trotzdem nimmt sie den Job an, heuert mit Max Caplan, einen ex-Cop und Privatdetektiv an mit dem sie bereits gearbeitet hat und macht sich auf die Suche. Logisch, zielgerichtet und schnell. Ohne die Grenzen des Gesetzes.
Mitte des Buches ist dieser Teil in höchstem Tempo und mit stetiger Spannung erledigt – der Leser fragt sich direkt “und jetzt?“.
Tja, jetzt kommt raus das das ganze größer ist, das Alice und Max von verschiedenen Parteien hingehalten werden und das sie nach dem Erfolg … Kalt gestellt werden.
Und das weckte natürlich das Interesse der beiden noch mehr. Und mit einem lokalen Cop an ihrer Seite rollen sie sowohl eine Verschwörung innerhalb der DEA als auch bei den Kartellen auf. Und nutzen am Ende einen klassischen Kniff um einen unbezwingbaren Gegner mit seinen eignen Mitteln “left field” in die Knie zu zwingen.
Ein cooler aber auch ungesetzlicher Move.
Der Teil hat noch mehr Tempo ist aber auch unrealistischer, da sie quasi unter den Augen des Gesetzes das Gesetz brechen. Dennoch im Kontext von Grenze, Flucht, Kartellen und Sicherheitsbehörden ein gutes Buch. In guten Momenten fast ein guter alter Winslow.
In schlechten Momenten … hat es derbe Flüchtigkeitsfehler:
Auf dem Umschlag ist es das FBI …
( (c) Suhrkamp 2021)
.. im Buch die DEA (und das FBI taucht nirgendwo auf):
( (c) Suhrkamp 2021)
Und dann solche Flüchtigkeitsfehler: Im American Football (muss es sein, wg. Quarterback) gibt es keine Torschüsse (sondern Versuche) und ein Tor zum Sieg passt so gar nicht …
( (c) Suhrkamp 2021)
Was mir am Ende wirklich nicht gefallen hat ist das die aufgebaute und immer latent am Leben gehaltene Spannung (oder auch Anziehung) zwischen Max und Alice in einem unpassendem schwülstigen Kapitelabschluss endet:
Und nachdem sie alle Verwundungen ihrer Körper liebkost hatten, widmeten sie sich dem unversehrtem Rest.
Ah nee, das war unnötig.
Dieses Jahr erscheint der nächste Band der Reihe, ich werde ihn trotzdem Lesen.