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  • Bücher, schnell gelesen: 1.736

    Bücher, schnell gelesen: 1.736

    Colin Niel – Darwyna (Suhrkamp, 2024)

    Gelesen: 26. – 30.10.2024 (netto 291 Seiten)

    Aus dem Französischen von Anne Thomas.

    Und wieder mal ein Buch, das ich liegengelassen hätte wenn es nicht von Thomas Wörtche herausgegeben worden wäre. Drauf steht “Thriller” aber das entspricht nicht wirklich dem Inhalt bzw. entpuppt sich die ganze Geschichte als …. anders.

    Ganz anders.

    Der Autor Colin Niel Colin Niel arbeitete als Agrar- und Forstingenieur im Bereich Biodiversität, u. a. mehrere Jahre in Französisch-Guayana. Kennt also den Dschungel.

    Und dort spielt auch diese kleine und etwas abseitige Geschichte. In einem Slum mit dem euphemistischen Namen Bois Sec (Trocknes Holz). Yolanda, die Mutter von Darwyne, schlägt sich so durch. Mit wechselnden Männern. Die irgendwann immer verschwinden. In einer Blechhütte oben am Berg. Direkt am Dschungelrand.

    Darwyne ist 10 und hat offensichtlich körperlich und geistig einen Hau. Liebt seine Mutter und liebt den Dschungel sowie die Tiere dort. Mehr noch als die Mutter. Die endlose Abfolge von neuen Vätern für Darwyne endet erst als die Sozialarbeiterin Mathurine einer alte anonyme Anzeige wegen “Kindeswohl” nachgeht.

    Sie erkennt in Darwyne eine verwandte Seele (die den Urwald und die Tiere liebt) und sieht nicht nur den Krüppel. Voller Energie, wohl auch angetrieben vom eigenen – unerfüllten – Kinderwunsch, kümmert sie sich um Darwyne.

    Und dann geht alles sprichwörtlich den Bach runter, der Slum versinkt in den klimawandelgemachten Regenfluten. Darwyne verschwindet im Urwald.

    Ungefähr 289 Seiten ist das Buch ehr eine detaillierte Lebensgeschichte mit einem Schuss Fantasy, darauf einen Floater Sozial- und Umweltkritik. Und dann, auf den letzten Seiten, dreht Colin Niel Opfer und Täter um und schafft ein echt knalliges Ende.

    Perfekt lakonische Story über ein Leben das wir uns in Deutschland so nicht vorstellen können. Und das Ende, wow! Das sitzt!

    Soundtrack dazu: No Fuck Bébé – La Jungle, was sonst?

    PS: Un Colin Niel so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.720

    Bücher, schnell gelesen: 1.720

    Lisa Sandlin – Der Auftrag Der Zwillinge (Suhrkamp, 2024)

    Gelesen: 02.07. – 08.08.2024 (netto 357 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Stumpf.

    Der dritte Band der Delpha Wade Reihe und bisher nur in Deutschland verlegt – The People Store ist bisher in den US of A noch nicht erschienen.

    Diesmal sind Delpha (eigentlich nur Sekretärin von Phelan Investigations) und Tom Phelan weder Zwillinge noch ein Paar. Sondern haben klare Rollen. Passend zur Zeit, die Serie spielt in den frühen 70ern in Texas.

    Aber Der Auftrag der Zwillinge bringt beide zum ersten mal so richtig zusammen, das ganze Buch lebt davon das beide, gemeinsam, ermitteln. Mit gekonnt ruhiger Hand und viel Menschlichkeit erzählt Lisa Sandlin kleine Aufträge und im Hauptteil eine ziemlich fiese Geschichte.

    Denn diesmal geht es neben den kleinen Ermittlungen um die Privatisierung des Strafvollzuges (aka prision industrial complex) und die damit verbundene werthaltige Vermietung (aka Ausnutzung) von Gefangenen. In einem der ersten privatwirtschaftlichen Gefängnissen in Texas werden medizinische Versuche mit den Gefangenen gemacht.

    Delpha und Tom sind aber klug genug die Aufklärung darüber der Presse zu überlassen. Dazu ist Tom dann noch klug genug Delpha zu Weihnachten die Partnerschaft in seiner kleinen Detektei anzubieten.

    Und Delpha ist klug genug nach 14 Jahren Knast nicht nur Freundschaften auszubauen sondern auch …

    ( (c) Suhrkamp 2024)

    Bäng!

    Da bin ich dann doch gespannt ob und wie das weitergeht, diese Reihe hat was ganz besonderes (und das ohne Blood, Gore and Violence).

    Soundtrack dazu: Prisoner Abuse – Slow Leak, was sonst?

    PS: Backdrop…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.710

    Lavie Tidhar – Maror (Suhrkamp, 2024)

    Gelesen: 29.05. – 02.06.2024 (netto 630 Seiten)

    Aus dem Englischen von der wunderbaren Conny Lösch (ein Qualitätsmerkmal).

    Alter Schwede, was für ein Brocken. James Ellroy brauchte 4 Bände für sein L.A. Quartett, Marlon James immerhin 844 Seiten für sein Jamaica Epos.

    Und dann kommt Lavie Tidhar daher und knallt uns ein ausgedehntes Epos über die Schattenseiten des Aufbaus von Israel um die Ohren. In nur 630 Seiten.

    Dabei macht er sonst SF-Romane und Comics.

    Das Buch fängt 2003 an, springt zurück in die 70er und dann in großen Schritten voran: 1977, wo die Armee anfängt Land im Westjordanland in jüdischen Grundbesitz umzuwandeln. 1982, als Israel Beirut einnehmen will (und in ihrem Dunstkreis Drogengeschäfte gemacht werden), 1987, als exil-Israelis den Kokainhandel in den US of A voranbringen. 1989, als ex-Militärs aus Israel mit erbeuteten Waffen aus dem Libanon die Milizen in Kolumbien trainieren.

    Und durch das ganze führt indirekt ein Master of Ceremonie, Cohen – ein Polizist – ist immer dabei und steuert das Gleichgewicht zwischen Staat, Polizei und den Nutznießern (aka Organisierter Kriminalität).

    Lavie Tidhar entwirft eine amoralische Welt, in der Gier und Kontrolle alle Konfessionellen und Politischen Ideologien überwiegen. Israel ist eben auch nur ein Staat wie jeder andere. Seine besonderen Probleme sind tatsächlich universell.

    Und darüber als hard-boilded Noir zu schreiben führt uns die Ursachen vor: Korruption der Macht und das Chaos, das sie erzeugt. Über die Grenzen hinaus.

    Ein wirklich großartiges Buch. Zu Beginn gibt es eine fast verwirrende Menge an Gewalt und Chaos, was teilweise ein wenig abgedroschen wirkt. Doch dann legt sich der Staub und etwas wirklich Faszinierendes entsteht: Eine coole Saga über viele Jahre und Generationen. Mit unglaublich vielen realen Bezugspunkten (Wikipedia wird dein Freund sein).

    Ich würde da sagen, das hat Don Winslow Qualität (als er sich noch Mühe gab). Unfassbar klar, die handelnden Personen echt und alles könnte tatsächlich so gewesen sein. Oder ist es noch so?

    Ich glaube da kommt noch mehr, her damit!

    Soundtrack dazu: Mofa Ha’arnavot Shel Dr. Kasper – In Red Dress, was sonst?

    PS: Auf jeden Fall auf der “Buch des Jahres” Liste.