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  • Bücher, schnell gelesen: 1.768

    Bücher, schnell gelesen: 1.768

    Dirk Schmidt – Die Kurve (Suhrkamp, 2025)

    Gelesen: 09. – 11.05.2025 (netto 268 Seiten)

    “Thriller” steht auf dem Umschlag. Ein Thriller ist da aber nicht wirklich drin. Sondern etwas viel clevereres.

    Das ganze startet wie ein Mafia Thriller: Die Tochter eines Mafia Bosses vereitelt einen Anschlag auf ihren kranken Vater. Und ruft dann die Telefonnummer an, die ihre Vater ihr mal anvertraut hat. Für den Fall, das ein echtes Problem zu lösen ist.

    Und das gibt es hier offensichtlich zu lösen. In einer Umgebung, in der ehr weniger staatliche Problemlöser hinzugerufen werden.

    So weit, so Mafia Thriller.

    Auf der anderen Seite des Telefons meldet sich allerdings Carl aus Herne. Und der hat – nach langen Jahren als Leiter eines Jugendzentrums in Herne mit dem Namen “Die Kurve” – sozusagen eine Problemlösungsberatung. Extrem lukrativ für ihn. Extrem tödlich für die Probleme.

    Und ab da wird das Buch mehr so zum Beobachter von Carl, seinen Angestellten (die sich, gar nicht so überraschend, als der harte und jugendkriminelle Kern der Kurve herausstellen) und einem kleinen Ausschnitt aus ihrem Leben.

    Dazu ein paar Rückblenden, die uns nach und nach die Geschichte dieser Problemlöser Ultras aus der Kurve offenbaren.

    Das ganze erinnert mich ungemein an die Bücher von Jörg Juretzka, der mit Kristof Kryszinski ja auch einen nicht ganz gesetzeskonformen Problemlöser auf die Reise schickt.

    Diese Buch bleibt aber anders, es beobachtet nur und drängt überhaupt nicht auf eine Ziel, eine “Auflösung” hin. Wie in dem Gewerbe wohl üblich.

    Ziemlich coole Story, lustige Dialoge, ordentlich schwarzer Humor, originelle Figuren mit ordentlich Street-Credibility, etliche Leichen.

    ( (c) Suhrkamp Verlag, Berlin, 2025)

    Und damit eine echte Neuentdeckung als Genre:

    Problemlöser-Pulp.

    Davon nehm’ ich gerne mehr!

    Soundtrack dazu: GSG Neun – Starker Mann, was sonst?

    PS: Dirk Schmidt mach eigentlich Hörspiele bzw. eine (laut Hörensagen) klasse Radio-Tatort Reihe. Er kann Dialoge!

    Ein Teil des Buches stammt auch aus einem seiner Hörspiele:

  • Bücher, schnell gelesen: 1.767

    Bücher, schnell gelesen: 1.767

    Johannes Groschupf – Skin Ciry (Suhrkamp, 2025)

    Gelesen: 01. – 08.05.2025 (netto 225 Seiten)

    Nach Die Stunde der Hyänen lese ich dann mal vorwärts, die ersten beiden Bücher von Johannes Groschupf hab ich immer noch nicht in den Rückstand gepackt.

    Von den Brandermittlern ist Romina Winter jetzt zum Einbruch versetzt, sie hofft eigentlich auf eine ruhige Kugel. Doch professionelle Georgische Einbrecher machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Und natürlich die Suche nach der großen Liebe.

    Großartigen Sex hat sie gefunden, aber Liebe … die ist da irgendwo, aber für sie nicht erreichbar.

    Zwei andere Protagonisten bringt Johannes Groschupf auf Kollisionskurs mit Romina:

    Koba, ein junger Georgier der hofft mit seinem Job als Einbrecher genug Geld für ein Leben in Kanada zusammenzubekommen. Aber Pustekuchen, die Organisation für die er arbeitet hat ihn voll im Griff.

    Und gibt ihm Volltrottel als Begleiter.

    Jacques, ein junger Deutscher der gerade seine Zeit im Knast abgesessen hat. Sein Job war Umsatzsteuerbetrug, lief gut aber seine Bosse haben ihn elegant abserviert. Im Knast abgehärtet, will er jetzt in Berlin wieder richtig durchstarten. Als Berater in der Kunstszene.

    Und natürlich kreuzen sich die Bahnen und alles läuft auf einen Car-Crash hinaus. Der dann aber ganz anderes kommt als traditionell in einem Krimi. Und damit ziemlich ruppig das Buch beendet (und noch mehr).

    Alles aus Liebe.

    Flotte Dialoge, flotte Figuren und die Berliner Kunstszene wird ganz wunderbar durch den Dreck gezogen bzw. lächerlich gemacht.

    Was an und für sich ganz bestimmt ein Bonus ist.

    Ich mag sowas, vor allem weil die Heldin … eine Heldin ist.

    Soundtrack dazu: Es War Mord – Die Falsche Uhr, was sonst?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.761

    Bücher, schnell gelesen: 1.761

    Ivy Pochoda – Sing Mir Vom Tod (Suhrkamp, 2025)

    Gelesen: 14. – 19.03.2025 (netto 318 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Stefan Lux.

    Bang! Mal wieder liefert Ivy Pochoda. Und wie!

    Die Bücher von ihr sind immer anders, immer weiblich und immer … etwas wirklich besonderes.

    Sing Her Down (so das amerikanische Original) spiegelt dabei komplett das Genre: Männer sind entweder Zuschauer, Opfer oder Werkzeug. Frauen dagegen sind Schuldig, im Knast, Verbrecher oder sowohl Opfer als auch Täter. Warum?

    Weil sie es können.

    Im ersten Teil des Buches geht um Gewalt in Gefängnissen und da sind Frauen aber so richtig Täter und Opfer, sowohl von weiblichen Mithäftingen als auch von Wärtern.

    Auf der einen Seite Florence „Florida“ Baum, Jung & Blond & aus reichem Elternhaus, die behauptet, man habe ihr Beihilfe zum Mord an einem Drogendealer angehängt, weil sie das Fluchtauto fuhr. Dabei liebte sie es einfach mit ihrem 1968er Jaguar zu cruisen.

    Gegenstück ist Diana Diosmary “Dios” Sandoval, eine kluge und schöne Latina, die wegen schwerer Körperverletzung an einem Mitschüler verurteilt wurde, nachdem die wohlhabende Mutter des Opfers die Staatsanwaltschaft angestachelt hatte. Sie kommt aus armen Verhältnissen und wurde nur durch eine Stipendium in die Welt der Reichen gespült.

    Bei umkreisen sich im Gefängniss, Dios versucht dabei immer wieder das Böse, die Gewalt, in Florida hervorbrechen zu lassen. Sie umkreisen sich wie Katze und Maus, wobei die Maus durchaus gefährlich ist.

    Das Buch spielt 2020 und Covid hat die US of A im Griff, auch in den Gefängnissen. Daher werden Gefangene vorzeitig Entlassen – auch Florida. Und Dios.

    Florida will nur zurück nach L.A. und ihren Jaguar fahren, Dios will immer noch Florida provozieren. Und so zieht sich eine Spur der Gewalt Richtung L.A. …

    … wo ein weiblicher LAPD Detektiv ohne Vornamen (aber mit Nachnamen Lobos) ihre Spur aufnimmt. Lobos hat ihre ganz eigenen Probleme, ihr Arbeitsleben wird durch häusliche Gewalt konterkariert.

    Ihr Ex-Mann, der an einer psychischen Erkrankung leidet, die durch die Covoid-bedingte Isolation in die Huldigung an jedwede Verschörungstheorie ausgefranst ist, befindet sich irgendwo auf der Straße. Lobos widmet sich abwechselnd der Suche nach den Flüchtigen und versucht, ihn unter der heimatlosen Bevölkerung von Skid Row zu finden.

    Lobos betrachtet diese eher persönliche Suche nach Abschluss und Sicherheit nicht als Ablenkung, sondern als Voraussetzung für ihren Job: „Wie kann sie auf der Straße für Ruhe sorgen, wenn sie es zu Hause nicht konnte?

    Aber Lobos ist auch die einzige, die Florida und Dios “lesen” kann und erkennt dass es bei ihrer Festnahme nicht nur darum geht, zu verstehen was sie zu ihren Taten angestiftet hat.

    Sondern auch darum ihre Taten nicht zu verharmlosen, indem man sie mit niedlichen Namen wie „Weibliche Helden“, „Femme Fatales“, „Thelma & Louise“ betitelt. Denn dabei geht es nur darum um ihre Taten zu verspotten oder zu verharmlosen, damit Männer begreifen, dass Frauen töten können.

    Doch was ist mit Lobos eigener Wut? Was wird sie mit ihrer unterdrückten Wut auf ihren Mann anfangen?

    Natürlich läuft alles auf einen Showdown zu, natürlich stehen am Ende Lobos, Dios und Florida an der Kreuzung Olypmpic & Western und es knallt.

    Perfekt!

    Ebenso perfekt ist, das die Story von Ivy Pochoda um eine Erzählerin ergänzt wird. Die Zellengenossin von Florida, Kace, erzählt uns die ganze Geschichte auf eine extrem passende Art. Und da sie Stimmen in ihrem Kopf hört, ist das eine vielstimmige Geschichte … fast ein Märchen. Oder eine griechische Tragödie.

    Oder eben das ganz normale Leben.

    Wow.

    Soundtrack dazu: Mala Vista – Western Beef, was sonst?

    PS: Danke – endlich mal wieder kein neu-erfundenes Cover!

    Ivy Pochoda – Sing Her Down (Farrar, Straus and Giroux, 2023)

    PPS: Und Ivy so?