Ted Lewis – Schwere Körperverletzung (Pulp Master, 2020)
Gelesen: 01. – 04.04.2021, netto 318 Seiten.
Bäng – nach 2.600 amerikanische Südstaaten kommen 318 Seiten erfrischendes England aus den 70ern. Erschienen 1980 und sowas wie das Vermächtnis von Ted Lewis – er hat es nämlich vorgezogen sich tot zu saufen (was er mit 42 Jahren 1982 dann auch geschafft hat).
Bester britischer Noir sagen Experten, ich bin keiner aber ich erkenne inzwischen eine Perle wenn ich sie lese. Zwei einfache Handlungsstränge (“Der Rauch” und “Die See”) wechseln sich in kurzer Folge ab und schnell erkennt der Leser das beide irgendwie zusammengehören.
George Fowler ist ein echter englischer Gangster und er verdient sein Geld vor allem mit einer Sache die England schon immer verpönt war: Sex. Er dreht und verkauft 8mm und 16mm Pornofilme, alles unter der Hand, alles gegen viel Bargeld.
Aber dann realisieren seine Frau und er das ihn seine Leute betrügen. Wo viel Geld, da viel Gier. Und das kann er nicht auf sich sitzen lassen. Und das einzige Mittel das er kennt um für Ordnung zu Sorgen ist schwere Körperverletzung (im englischen grievous bodily harm):
Whosoever shall unlawfully and maliciously by any means whatsoever wound or cause any grievous bodily harm to any person, ... with intent, ... to do some ... grievous bodily harm to any person, or with intent to resist or prevent the lawful apprehension or detainer of any person, shall be guilty of felony, and being convicted thereof shall be liable ... to be kept in penal servitude for life ...
Und damit gleiten wir von “Rauch” zur “See” – denn an der See versteckt sich Fowler unter falschen Namen bis Gras über “Die Sache” gewachsen ist. Und hier wird aus einem hard-boiled noir dann auch ein intelligenter hard-boiled noir: Fowler wird nämlich ganz offensichtlich verrückt. Der ständige Wechsel von “Rauch” zu “See” und zurück wirft dem Leser dabei immer wieder kleine Brocken zu die mehr und mehr erklären.
Am Ende ein klassischer Showdown ala “Der König ist tot, es lebe der König“. Und, fun fact am Rande, der Rechtsanwalt bleibt auf der Seite der Macht (wen wundert das). Ach ja, die Polizei ist nur korruptes Beiwerk.
Ein großartiges Buch, hart, realistisch und mit überraschend feiner (cleverer) Nadel gestrickt. Bonus: Immer schön aus der “Ich” perspektive erzählt.
PS: Ted Lewis hat auch Jack’s Return Home geschrieben, das als Get Carter gleich mehrfach erfolgreich verfilmt wurde. Schade das Ted Lewis sein Talent im Glas versenkt hat.
Wyatt ist zurück! Nachdem ich (fast) alle Bücher der Serie in einem Rutsch gelesen hatte fehlte mir noch Band 8 – und endlich ist dank dem großartigen Pulp Master Verlag da.
Wyatt hatte ja irgendwie gefühlt das seine Welt aus professionellen Überfällen irgendwie vorbei ist, also hatte er sich aus Australien abgesetzt. Doch Geldnot treibt ihn zurück und in die Arme von Amateuren.
Zum Glück erkennt er das und lässt die Gelegenheit sausen. Stattdessen nimmt er einen Profi-Auftrag von einem Profivermittler an: Ein altes Bild, das im zweiten Weltkrieg verschollen ist, soll an die jüdische Besitzerfamilie zurückgegeben werden. Wyatt nimmt den Auftrag mit der gebotenen Professionalität an und geht wie gewohnt professionell an die Arbeit…
… nur um von Amateuren betrogen zu werden. Aber Wyatt ist Wyatt und kennt nur eine Ehre: Ein Auftrag wird erledigt. Und damit legt die Geschichte eine Blutspur an die ansonsten ruhige und sonnige Gold Coast. Betrug und Sühne würde ich sagen!
Aus der Wyatt-Reihe von Garry Disher habe ich bisher nur “Dirty Old Town” gelesen und bereits 2015 geschworen das ich mir jetzt alle Bücher kaufe. Fast forward nach 2019 und mein Leseurlaub im September bringt mir … den Rest!
Garry Disher – Gier (Pulp Master, 1999)
Gelesen: 05. – 06.09.2019, 228 Seiten
Willkommen in der Welt von Wyatt. Wyatt ist Profi. Wyatt ist ein Profi-Räuber. Und in dieser Welt geht es nur um ihn und seine gnadenlos professionell durchgezogenen Raubzüge.
Und da ihm ein Amateur einen Deal versaut hat nimmt er dankbar das Angebot einer Anwältin an ihrem Partner 300.000 AUS Schwarzgeld zu klauen. Professionell.
Natürlich geht was schief, natürlich landet Wyatt mit der Anwältin im Bett und natürlich beseitigt er alle Hindernisse – kalt, gefühlslos und immer den Cops einen Schritt vorraus. Denn im Knast war er noch nicht und da will er auch nicht hin.
Ein echter hardboiled Krimi, aus der Sicht eines durch und durch kalten Profis. Der Partner stirbt dabei? Sein Problem bzw. Risiko. Beziehungen? Was bringen die? Wyatt Gier nach billigem Geld ist ebenso groß wie seine Gier nach einem ruhigen Leben (für das er auf andere Art als du und ich arbeitet).
"Du bist eine Memme, Wyatt. Zeig dich wie ein Mann".
Wyatt stellte sich breitbeinig hin, stabilisierte die .38er mit seiner linken Hand und schoß Sugarfoot Younger in den Hinterkopf.
Sein letzter Deal (“Gier“) ist den Bach runtergegangen, die organisierte Kriminalität ist hinter ihm her (obwohl der die Kohle nicht hat) und Wyatt hat sich daher in den Busch zurückgezogen. Echte Arbeit an einer Pipeline?
Nein, er kundschaftet die Brava-Construction aus, die beschäftigen nämlich jede Menge Südamerikaner die ihre Kohle wöchentlich in Bar erhalten. Und auf diese Kohle hat es Wyat abgesehen. Leider hat er bei seiner sorgfältigen Planung übersehen das es auch andere Interessenten an der Kohle gibt. Und das ein Killer der organisierten Kriminalität ebenfalls seine Spur aufgenommen hat.
Also bleibt Wyatt wieder ohne Kohle, seine Freunde sterben und unaufmerksame Quertreiber seiner Pläne …. sterben.
Wyatt schaltete auf Fernlicht und kam nebem dem Laster zum stehen. Er setzte Triggers Lewiche auftrecht ans Steuer und zog sich dann hinter den Wagen zurück, um zu beobachten, wie Happy aus der Fahrerkabine kletterte. Das Fernlicht blendete den schweren Hünen. Mit gesenktem Kopf kam er auf den Wagen zu und hielt sich die Händer schützend vors Gesicht. Er blinzelte heftig und versichte, den Zwerg, der mal sein Boss gewesen war, zu einer Reaktion zu bewegen. Wyatt jagte ihm von hinten eine Kugel in den Kopf."
Soundtrack dazu: The Varmints – Pay Dirt, was sonst (gibt es leider nicht online).
Garry Disher – Hinterhalt (Pulp Master, 2002)
Gelesen: 07. – 08.09.2019, 238 Seiten
Die Nummer im Busch (“Dreck“) ging den Bach runter und hat Wyatt ungewollte Aufmerksamkeit gebracht. Nicht nur die Mesics, das Syndikat aus Melbourne, will ihn tot sehen sondern ein ex-Bulle sucht ihn und – trotz aller Vorsicht – findet ihn auch.
Das schlimmste: Der Ex-Cop arbeitet für die Anwältin aus “Gier” und diese zwingt Wyatt in einen Banküberfall, der angeblich leichte 2 Mio AUS bringen soll. Für den Leser ist es keine Überraschung das der Deal mal wieder vergiftet ist: 3 Parteien wollen an das Geld und keiner hat die andere bemerkt.
Und so geht am Tag des Überfalls alles, aber auch alles, schief.
"Wyatt" mahnte Anna.
Wyatt überhörte es. Der Tod kam schnell. Der Schlag hatte Stolle den Atem genommen und er war unfähig, sich zu wehren. Wyatt platzierte seinen Revolver in Stolles rechter Hand, führte ihm die Hand an den Mund und schob den Lauf zwischen Ober- und Unterkiefer. Er drückte ab. Stolle machte einen kleinen Satz und seine Beine zuckten noch, während er starb.
Wyatt hat genug von den Mesics, jetzt will er zurückschlagen. Und sich “sein” Geld von ihnen zurückholen. Da hilft es, daß der Patriarch verstorben ist und seine Erben sich nicht einig sind.
Und los geht ein atemloser Ritt durch den ganz normalen Broterwerb: Bandenkriege, Mord, politische und polizeiliche Korruption, Drogenhandel und Autoschiebereien. Alles völlig normal und die Welt, in der Wyatt lebt und in der er sich auskennt.
Und nach 12 Tagen Rachefeldzug hat Wyatt dann endlich Glück: Sein Wiedersacher sprengt sich selbst in die Luft.
Doch er hatte nicht vor, sie auf den Kopf zu stellen. Für eine Weile stand er nur da und versuchte, sich in Napper hineinzuversetzen. Das führte ihn schnell zu der Komode neben dem Bett, dem Zwischenraum zwischen Teppich und unterster Schublade. Zweihundertausend Dollar können diesen Platz schon ausfüllen. Er rüttelte an der Schublade, doch irgendwas hatte sich verklemmt. Also kippte er das Ding einfach auf die Seite und brauchte nur noch nach seinem Geld zu greifen.
Garry Disher – Port Villa Blues (Pulp Master, 2006)
Gelesen: 09. – 10.09.2019, 275 Seiten
Wyatt gehts gut, er kann sich entspannt zurücklehnen und auf passende Gelegenheiten hoffen. Die kommen als Safe mit Schwarzgeld um die Ecke, bei einer korrupten Politikerin nur schlecht gesichert. Leider hat sein Fischzug auch Beifang und diesen Beifang (eine Art-Deco Brosche von Tiffany) darf es eigentlich nicht geben. Denn es ist eine registrierte Beute aus einem Diebstahl.
Und so nimmt das Unglück seinen Lauf als Wyatt versucht das Schmuckstück zu Geld zu machen. Die Polizei und andere böse Menschen versuchen ihm die vermeintliche Gesamtbeute aller Tiffany Schmuckstücke abzujagen. Und das führt ihn nach Vanuatu und zu einem korruptem Richter.
Und in die Arme einer neuen Liebe (die den Anschein gibt, länger zu halten).
"De Lisle!". Der Schrei voller Hass und Auflehnung kam von oben, von der Treppe. Dann schnellte eine Leuchtkugel aus der Dunkelheit, ein farbiger Komet mit einem Schweif aus Rauch.
Wyatt duckte sich und zog Liz Redding mit sich nach unten. Springett blieb wie angewurzelt stehen.
Pfeilschnell flog die Leuchtkugel über Springett hinweg, über Wyatt und Liz Redding, traf De Lisle in Tailenhöhe und fing an zu brennen.
Wyatt ist müde. Seine neue Liebe mußte er erstmal loswerden (immerhin ist sie eine Undercover Polizistin), ebenso wie den Belastungszeugen den sie per Schiff aus Port Villa (Vanatu) nach Australien schaffen wollten.
Dazu konnte er noch etwas zusätzlich abgreifen, das muss jetzt erstmal reichen. Doch die Liebe und sein Neffe Raymond kommen ihm in die Quere. Während Raymond als mehr oder weniger erfolgreicher Blitzbankräuber in den Zeitungen gefeiert wird (und sein Geld mit den großen Hunden am Spieltisch durchbringt) zieht sich Wyatt immer mehr zurück. Seine alten Kumpels sind tot. Seine alte Welt ist durch bargeldlosen Zahlungsverkehr, moderne Sicherheitsmaßnahmen und sinnloss um sich ballernde Amateure den Bach runtergegangen.
Mehr aus Familienfolklore als aus Gier mach Wyatt bei einem schrägen Deal um Gold aus einem Schiffswrack mit. Das dabei Betrüger Betrüger betrügen ist dem Leser früh klar – die Frage bleibt: Wer macht den ersten Fehler.
Den macht Liz Redding und damit wird das Buch dann doch spannend. Denn Wyatt ahnt das es in seine alte Welt kein zurück gibt.
"Peng, peng" sagte er. "Du bist tot", und er hustete Blut und sackte zusammen. Wyatt sah zu. Er sah, wiue Steer zur Seite kippte, sich ausstreckte, den Rücken krümmte und starb. Er hatte einen Bauchschuss. Das Blut hatte seine Kleidung getänkt und einen großenb Bereich um seine Taille dunkel gefärbt. Wyatt wunderte sich darüber. Er schrieb es einem glücklichen Treffer durch die Schlafzimmer Tür zu. Er war müde. Er hörte leise Schritte im Gras - vieleicht war es der Wind - und legte sich auf die feuchten, moderigen Blätter, um auf Liz Redding zu warten oder auf den Schlaf, der sein Recht einforderte.
6 Bücher in 7 Tagen, eine klasse Geschichte in einem Rutsch gelesen. Zum Glück gehen die Bücher nahtlos ineinander über, das passt ganz wunderbar. Ich bin mal gespannt wann Buch 8 kommt…
PS: Garry Disher über sein Schreiben … auch wenn es über seine “andere” Serie ist passt es hier doch auch. Kaufen Freunde, kaufen!