Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.776

    Bücher, schnell gelesen: 1.776

    Jonathan Lethem – Der Fall Brookly (Tropen, 2025)

    Gelesen: 09. – 20.06.2025 (netto 435 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel.

    Ach Meno – bei Jonathan Lethem schaffe ich einfach keine Lesegeschwindigkeit. Das ist schade, den wie schon bei Motherless Brooklyn steht am Ende des Lesevergnügens eine gute Geschichte.

    124 Blicke durch ein Kaleidoskop machen diese Buch aus, das Visier dieses Kaleidoskops steht dabei in der Dean Street, Brooklyn, NYC. Und Jonathan Lethem gibt dem Leser ein Kaleidoskop das auch Zeitreisen kann.

    Das ganze ließt sich teilweise wir eine soziologische Untersuchung. Lethem untersucht, was mit dem Viertel passiert ist, in dem er aufgewachsen ist.

    Fast bildlich kann man das kollektive Gemurmel auf der Straße hören, alltägliche Vergehen und Verbrechen (zB das ritualisierte Abziehen von weißen Jugendlichen durch schwarze Kids aus den umliegenden Vierteln) kommen aufs Tablet.

    Und im Hintergrund lauert ein einziger Ankläger: Brooklyn selbst.

    Gentrification.

    Der “Krimi” ist hier eher eine rhetorisches Setting (die offensichtliche Antwort: Eigentum ist Diebstahl).

    Das Vorgehens einer Generation weißer Liberaler, die ab den späten 60er Jahren in das heruntergekommene Brooklyn zogen, wird kritisch dokumentiert. Die Motive der „Brownstoners“ schienen wohl positiv: Sie wollten den Trend der „weißen Flucht“ aus den Innenstädten umkehren, baufällige Häuser renovieren, ihre Kinder auf örtliche Schulen schicken und von einer integrierten Gemeinschaft träumen.

    Wo ist das alles schiefgelaufen?

    Joanthan Lethem hat eine Antwort darauf, die erschließt sich aber erst wenn der Leser durch ist und sich alle 124 Kaleidiskopbilder zu einem Blick formen.

    Fiktion? Oder nur über die Jahre gut beobachtet und dann anonymisiert?

    Puh, ein echt schweres Lesevergnügen!

    Soundtrack dazu: Slaughter Boys – Gentrify Me, was sonst?

    PS: Und Jonathan so?

    PPS: Dean Street 2021

  • Bücher, schnell gelesen: 1.775

    Malin Thunberg Schunke – Ein Höheres Ziel (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 31.05. – 08.06.2025 (netto 353 Seiten)

    Aus dem Schwedischen von Stefanie Werner.

    Ein ziemlicher Brocken, obwohl es “nur” 353 Seiten sind. Für die Dark Places Reihe bei Polar ein ehr ungewöhnliches Buch, ist der “Dark Place” doch Recht & Gesetz. Und der Horror das Recht und Gesetz auch mal unschuldige Treffen (wobei Malin Thunberg Schunke das geschickt offen lässt).

    Amir, ein Schwede mit irakischen Wurzeln (seine Eltern sind nach Schweden geflohen), ist erfolgreich. Und Teil der Stockholmer High-Society. Und mit seinen Freunden an der Cote d’Azur. Junggesellenabschied für einen Freund.

    Es so richtig teuer krachen lassen.

    Als er in der Bar in der sie feiern an den Tresen geht stehen auf einmal Männer neben ihm, die genauso wie er in schwarz gekleidet sind. Und eröffnen das Feuer – ein Terroranschlag.

    Da ein Barkeeper zurückschießt entsteht Chaos, Amirs Freunde flüchten, er bleibt im Chaos vor dem Tresen zurück und wird verhaftet. Alle Zeugen sagen, das er mit den anderen reinkam, zum Tresen ging und dann das Chaos ausbrach.

    Nach den aktuellen französischen Gesetzen kommt er in Isolationshaft und ein erfahrener und ehrgeiziger Ermittlungsrichter sieht in als Täter. Und damit kommt in Haft, immer noch isoliert.

    Seine Freunde sind nach Schweden geflohen und lassen ihn zurück, seine Frau darf nicht mit ihm sprechen, die schwedische Botschaft kann nicht helfen – es gelten die französischen Gesetze und Rechtsnormen.

    Ziemlich cool zieht Marlin Thunberg Schunke ein Bild voller Indizien gegen Amir auf und malt ein einfaches Bild: Wo wg. Terror Recht und Gesetz “hart” werden wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen.

    Amir und seine Geschichte sind aber nur Beiwerk, sie sind Bildsprache für das was die Autorin kennt (sie hat Jura studiert und war Staatsanwältin) – die Figuren um die es ihr geht sind Esther Edh (eine schwedische Staatsanwältin) und Fabia Moretti (eine italienische Staatsanwältin, Esthers Chefin bei der EU Behörde Eurojust).

    Denn diese erkennen früh, das der Kollege Ermittlungsrichter in Frankreich wohl mit Amir falsch liegt. Und es kein Terroranschlag war. Und damit die Anti-Terror Gesetze eine eine wenig zu große Waffe gegen den kleinen Schweden sind.

    Aber der französische Richter entscheidet nach französischem Recht. Was also können sie tun?

    Das Buch soll wohl Angst machen und es macht Angst. Im Europa von 2025 kann man tatsächlich unschuldig im Knast verschwinden, ohne Kontakt und ohne das was wir in der Regel als Rechtsstaat verstehen.

    Falsche Hautfarbe, falscher Ort, falsche Zeit. Und jede Menge Indizien. Keine Freunde, keine Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Der sitzt in Frankreich im Knast, da muss doch was faul sein!

    Harte Kost, nicht wirklich flott zu lesen. Erst am Ende habe ich verstanden warum das bei Dark Places herauskommt.

    Überraschend! Nicht mein Genre per se aber da kommen noch mehr Bücher, die werde ich sicher auch lesen.

    Soundtrack dazu: Gatans Lag – Från Fest Till Arrest, was sonst?

    PS: Und Malin so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.774

    Bücher, schnell gelesen: 1.774

    Joe Thomas – White Riot (btb, 2025)

    Gelesen: 28. – 30.05.2025 (netto 483 Seiten und 134 referenzierte Quellen)

    Aus dem Englischen von Alexander Wagner.

    Joe Thomas gibt als Referenz-Bibliographie u.a. David Peace mit 1983 (der letzte Band des Red Riding Quartetts) und GB84 an – alleine das macht das Buch für mich interessant.

    Dazu kommt die musikalische Referenz: Das Buch ist eingebettet in das London von 1978, das England von Margaret Thatcher (1979 zum Premier gewählt) und dem Carnival Against Racism am 30.04.1978 im Victoria Park:

    Und im Buch:

    ( (c) btb Verlag 2025)

    Die Geschichte des aufkommenden Thatcherismus erzählt Joe Thomas dabei aus der Sicht eines Polizisten. Detective Constable Patrick Noble ist quasi auf der richtigen falschen Seite: Während die SPG alles tat um ACAB zu formen ist der Job von Patrick in der MET Race Crime Initiative.

    Er soll Hass-Verbrechen verfolgen. Auch mit Undercover-Cops in Rechten und Linken Gruppen. Bei RAR hat er unter anderem Suzi Scialfa, eine junge Fotografin, zur Mitarbeit rekrutiert.

    Die Krimi-Geschichte (die es in dem Buch wirklich gibt) rücket dabei ziemlich in den Hintergrund, das Gerüst des Buches bleibt die historische Wahrheit: England und speziell London als angespannte und zersplitterte Nation, voller Rassismus allen Einwanderern gegenüber.

    Der flotte und lässige Straßenjargon kollidiert dabei oft mit den Zitaten realer politischer Personen, die eher zu einem ernsthaften Sozialgeschichtsbuch als zu einem Kriminalroman passen.

    Und während es schon cool ist Thatcher und Segs (von den Ruts) in einem Buch zu lesen bleibt das Buch doch erstaunlich dünn wenn es um die Stimmen der Opfer von Polizeigewalt geht.

    Ich vermute mal, das Joe Thomas den Krimi tatsächlich nur als Vorwand nimmt. Oder aber das ganze ist nur der Auftakt für ein viel größeres Bild – der nächste Band (Red Manace) ist bereits erschienen und zieht das Bild der Eisernen Lady, die ein neues England erschaffen will, noch weiter auf.

    Spannend aber auch anstrengend. Und ohne Kenntnisse über Thatcher und den Winter Of Discontent wohl nicht zu verdauen.

    Da ich diese geschichtliche Zeit in England aber total spannend finde, werde ich wohl weiterlesen.

    Soundtrack dazu: Red Alert – S.P.G., was sonst?

    PS: those where the days…