Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.669

    Bücher, schnell gelesen: 1.669

    A.F. Carter – Die Höfe (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 21. – 27.11.2023 (netto 267 Seiten).

    Aus dem Amerikanischen von Karen Witthuhn. Plus ein Nachwort von Marcus Müntefering zum Thema Anonyme Krimi Autoren.

    Baxter, irgendwo im Rust Belt der US of A.

    Im Mittleren Westen gibt es nichts als Mais, Rinder und Schweine. Tech-Firmen verschlägt es nicht hierher. Wenn kein Wunder geschieht und Baxter [Meat] Packing auch noch schließt, heist es "Renn um dein Leben"
    
    (c) 2023 Polar Verlag
    

    Bridget “Git” O’Rourke würde gerne um das Leben ihrer Tochter willen rennen und zwar ganz weit weg aus Baxter, ganz weit. Aushilfskellnerin. Hilfskrankenpflegerin (immerhin mit Abschluss). Trotzdem ohne Anrecht auf Krankenversicherung und Urlaub. Dafür aber zwei Zusatzjobs, damit das Geld für ihre Tochter, ihre Mutter und Git reicht.

    Ihre Mutter ist purer White Trash, süchtig ihr Leben lang und vor allem süchtig nach Dingen die andere bezahlen (die sie dann wieder mit ihrem Körper bezahlt). Git will anders sein, hat eine kurze Ehe hinter sich und erfolgreich den Vater ihrer Tochter vom Hof gejagt. Jetzt gönnt sie sicher Männer einmal im Monat als One Night Stand.

    Und gerät an den Falschen.

    Delia ist auch allein erziehende Mutter, mit einem Sohn. Chief of Detectives in Baxter. Lesbisch. Gönnt sich Frauen als One Night Stand. Versucht voranzukommen, unfähige Polizisten voranzutreiben und eigentlich … einen besseren Job woanders zu bekommen.

    Und gerät an eine Leiche.

    Connor ist von Beruf Sohn. Sohn des lokalen Drogenkönigs und Geldverleihers. Familie. Nicht die Mafia, aber in Baxter und den Tälern drumherum ne große Nummer. Klein gehalten von seinem unbarmherzigen und gnadenlosen Vater.

    Sieht die Chance zu einem Königsmord und seinem Aufstieg.

    Am Ende ist es Git, die den Falschen um 18.000$ Drogengeld erleichtert und von Dalia wegen Mordes gesucht wird. Der Drogenboss schickt seinen Sohn los um das Geld zu finden (sonst muss der Sohn selbst dafür grade stehen). Der Boss will Geld und den Dieb respektive seine Leiche.

    Ein perfektes Dreieck und die Geschichte wird aus der Sicht von Git, Dalia und Connor erzählt. Und das macht die Story, die dem Leser irgendwie zu einfach vorkommt, spannend.

    Und da A.F. Carter (ein Pseudonym, der Autor versteckt sich mit Absicht) es extrem geschickt versteht den Leser zu falschen Annahmen zu verführen ist im nächsten Kapitel, erzählt aus einer anderen Sicht, immer eine Überraschung versteckt.

    Das Ende der Geschichte ist zu ahnen, aber es kommen jede Menge Dinge quer. Git überlebt dank street smartness, Dalia macht Karriere in Baxter und Connor …

    … wird nicht verraten.

    Schönes Buch, schöne Geschichte aus einer ehr hoffnungslosen Ecke voller schlechter Menschen (die meisten aber aus guten Gründen). Und einer Überraschungsheldin. Echt!

    Ich bin gespannt auf mehr, es gibt eine Fortsetzung in den US of A (und hoffentlich auch beim Polar Verlag).

    Soundtrack dazu: Street Dogs – Rustbelt Nation, was sonst?

    PS: Der Rust Belt in seiner ganzen Glorie…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.668

    Bücher, schnell gelesen: 1.668

    Michael Connelly – Dunkle Stunden (Kampa Verlag, 2023)

    Gelesen: 15. – 20.11.2023 (netto 418 Seiten).

    Übersetzt von Sepp Leeb.

    Und nochmal Renée Ballard und nochmal mit Harry Bosch. Inzwischen sowas wie ein vertrautes Paar.

    Oder, was auf den ersten Blick ehr so lala als Hilfsmittel für eine Story ist, Bosch färbt auf Ballard ab. Und Ballard durchläuft wie Harry Bosch die gleichen beruflichen Frustrationen, Abfallprodukt ihrer eigenen Suche nach Recht und Gerechtigkeit für die Opfer von Verbrechen.

    Bosch und Bosch Legacy sind die einzigen Serien die ich über Stream geguckt habe, sogar mehr als einmal. Weil es einfach eine perfekt angelegte und umgesetzte City Of Angles Crime Nummer ist (und ich alle Krimis aus LA liebe). Die Bosch Bücher im Kampa Verlag habe ich noch nicht gekauft, aber ich glaube die füge ich schon bald in meine Bibliothek ein. Da habe ich ein Regal nur für LA Sachen. Nerd. Me.

    Dunkle Stunden spielt in der Pandemie, an Sylvester 2020 – kurz vor dem Sturm auf das Capitol. Mitten in einer Zeit wo “Defund The Police” eine sehr reale Diskussion in den US of A ist und wo Polizisten das Gefühl haben das ihnen das Mandat der proaktiven Durchsetzung entzogen wurde. Das sie darauf warten, zu reagieren, nur dann auf die Straße zu gehen, wenn es verlangt und erforderlich ist, und um dann nur das Nötigste zu tun, um ja keine Beschwerde oder Kontroverse in der Community, im Internet oder in der Presse auszulösen.

    Keine guter Start für 2021 und diesen Start verbringt Renée Ballard mit einer ungeliebten Kollegin in einem Streifenwagen unter einer Autobahnbrücke. Nicht um das Elend der Obdachlosen zu kontrollieren sondern um das Blech des Streifenwagens (und sich selbst) vor dem Kugelregen um Mitternacht zu schützen. Den in LA wird nicht geböllert sondern geballert – in den Himmel geschossen. Und das Blei fällt wieder runter…

    … und trifft dann Unbeteiligte. Und das wird ihr erster Einsatz in 2021 – Kopfschuß. Offensichtlich von oben. Bleiregen.

    Aber Ballard sieht mehr, hängt sich rein und hat einen Verdacht. Und Glück – die Kugel kann untersucht werden und die Waffe ist bereits registriert. Und klar, Harry Bosch hat vor vielen Jahren an dem Fall gearbeitet. Und so hilft ihr Harry bei diesem Fall und ihren anderen Fall, eine Einbruchsvergewaltigungsserie, lädt sie auch bei Harry ab.

    Und ziemlich schnell ist Renée Ballard da wo Harry bereits ist – auf der Suche nach Recht und Gerechtigkeit von den Fliehkräften aus dem System katapultiert.

    Das Setting ist cool, die Story und die Fälle perfekt verwoben, LAPD Internes galore mit einer Kämpferin die über Grenzen geht. Und killt. Mit Marke oder ohne, egal.

    Die Ermittlungen zu den Morden und zu den sexuellen Übergriffen werden spannend verwoben, dabei muss der geübte Leser immer schön die Details der Fälle auseinanderhalten. Renée Ballard selbst ist dabei die Figur, die das Interesse fokussiert. Ich will beinahe, dass sie Erfolg hat. Dass sie es gut macht, auch wenn ich angesichts ihrer ungesetzlichen Entscheidungen den Atem anhalte.

    Mehr, immer mehr. Und gerne auch verfilmen.

    Soundtrack dazu: Rumspringer – Post-Midnight, was sonst?

    PS: Coole The Dark Hours location tour mit Michael Connelly…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.667

    Bücher, schnell gelesen: 1.667

    William Boyle – Shoot The Moonlight Out (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 09. – 14.11.2023 (netto 329 Seiten).

    Aus dem Amerikanischen von Andrea Stumpf.

    William Boyle schreibt großartige Bücher über seine Heimat Brooklyn. Einfach nur großartig! Die Washington Post hat das ganz schlicht auf einen passenden Nenner gebracht:

    The Washington Post noted that Boyle "tries to write about how bad people can do good things and good people can do bad things."
    

    Und in diesem Spannungsfeld bleibt er bei vergleichsweise kleinen Geschichten. In “Shoot The Moonlight Out” treiben die konzentrischen Kreise eines Steinwurfes ins Wasser auf eine Handvoll Menschen aus dem Viertel zu und versenken vier von ihnen.

    Allerdings hat der Stein da schon moralischen Ballast zu tragen: Zwei gelangweilte Jungs, so 12 bis 13 Jahre alt, verbringen ihre Zeit mit allerlei Blödsinn am Rande einer Mall. An einer Freeway Auffahrt. Und kommen auf die coole Idee Steine auf Autos zu werfen … als sie endlich treffen treffen sie ins offene Fenster der 19 jährigen Amelia Cornacchia. Und die stirbt.

    Was beide nicht ahnen: Der Vater von Amelia arbeitet im Viertel als Problemlöser der einfachen Leute. Im Angebot: Endgültige Lösungen. Er bleibt nämlich beim Killen ganz kalt, für ihn ist das moralisch kein Problem.

    Fast Forward von 1996 in den Sommer 2001: Die konzentrischen Kreise des Steines treffen auf Land, die Wellen brechen und William Boyle packt ganz großartige Charaktere in die Story, die natürlich auf einen Showdown zwischen dem Vater von Amelia und … pssst!

    Und neben einer spannenden Story die auf einen Höhepunkt hinzielt bleibt William Boyle auch noch Zeit für großartige Details:

    William Boyle - Shoot The Moonlight Out (c) Polar Verlag 2023)

    William Boyle Welt ist klar und lebendig, Brooklyn ein Ort der er im Detail kennt. Er ist in der Lage, das Durcheinander des Lebens mit der Schärfe eines gnadenlosen Realisten einzufangen. Dabei formt er dieses Durcheinander so, dass die Geschichte auf einen Höhepunkt resp. Showdown zeigt der alles auflöst.

    Ganz großes Kopfkino. Und die Menschen? Sind am Ende glücklich:

    Lily kipt ihren Wiskey. Nach allem, was sie gesehen und erfahren hat, mag es falsch sein, glücklich zu sein, aber das ist ihre egal. Sie lässt Schuldgefühle Schuldgefühle sein, schenkt nach und findet es okay, dass sie sich so fühlt.
    
    (William Boyle - Shoot The Moonlight Out (c) Polar Verlag 2023)
    

    Perfekt!

    Soundtrack dazu: Joe Coffee – Shoot The Moon (And All Who Live There), was sonst?

    PS: Und William Boyle so?

    PPS: Beautiful and save, anyone?