Tag: Hoffmann und Campe

  • Bücher, schnell gelesen: 1.722

    Bücher, schnell gelesen: 1.722

    Nana Kwame Adjei-Bremyah – Chain Gang All-Stars (Hoffmann und Campe, 2024)

    Gelesen: 18. – 23.08.2024 (netto 465 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Rainer Schmidt.

    Mitte der 80er hatten die ersten Freunde Videospieler und Zugang zu Videotheken. Meist wurde Horrortrash und ähnlicher Scheiß ausgeliehen, Hauptsache was zum lachen.

    Dabei gerieten wir auch an Deathrow Gameshow, ein echter B-Movie (lediglich 200k$ Budget) und ein wirklich lustiger Knaller: Verurteilte Gefangene erhalten die Möglichkeit, durch die Teilnahme an einer Fernsehspielshow Aufschub für ihre Strafe zu erhalten.

    Das ganze war mehr oder weniger ein Rip-Off von The Running Man, der mit einem Budget von 27m$ allerdings unfassbar teurer war. Aber unfassbar lustig, und unfassbar unrealistisch. Grotesk überzeichnet.

    Denkste.

    Heute sind wir fast 40 Jahre weiter und die US of A sind ein echter Scheißhaufen, vor allem wenn es um Law&Order, Justice und … privatisierte Gefängnisse geht. Und vor diesem Hintergrund ist die dystopische Story von Chain Gang All-Stars auf einmal schrecklich realistisch.

    Die Gefängnisse sind privatisiert und die privaten Unternehmer die sie betreiben nutzen ihre Resourcen (=Gefangene) um Geld zu verdienen. Sag Hallo zu Criminal Action Penal Entertainment (CAPE), einem privaten TV Sender, und der hammerschwingende Loretta Thurwar, Star der Szene. Und ihrer Freundin Staxxx, die auf dem Weg nach oben ist.

    Angelehnt an die alten Chain Gangs sind die Kämpfer in jeder Gang “Links” und kämpfen gegen Chain Gangs aus rivalisierenden Gefängnissen. Die erfolgreichsten Kämpfer werden zu Pop-Idolen, Sexsymbolen. Wenn sie drei Jahre auf der Tour überleben, gewinnen sie den ultimativen Preis, eine Entlassungskarte.

    Es sei den von Staffel zu Staffel werden die Regeln verändert. Um mehr TV Abos zu verkaufen.

    So weit kommen die meisten natürlich nicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Link beträgt drei Monate.

    CAPE soll „elegante und nachhaltige Unterhaltungsökosysteme“ schaffen, in denen alle ihren Teil beitragen, ob sie wollen oder nicht. Demonstranten gegen die Ausbeutung sind kreative Kollaborateure, denen entgegenzukommen ist. Dissens erzeugt Aufsehen, was zu besseren Bewertungen führt. Es gibt kein Entkommen, alle sind alle Glieder der Kette (Links of the Chain).

    Thurwar und Staxxx sind die Produkte. Der Verbraucher sind die Zuschauer.

    ( (c) Hoffmann und Campe, 2024)
    ( (c) Hoffmann und Campe, 2024)

    Das ganze ist blutig, böse und endet ohne Happy End. Und mit vielen Fußnoten – die alle in die heutige Realität verweisen – erdet Adjei-Brenyah die Geschichte. So einem wie Trump und seinen Lakaien traut man sowas zu.

    Heftig!

    Soundtrack dazu: Face to Face – Back On The Chain Gang, was sonst?

    PS: Deathrow Gameshow …

  • Bücher, schnell gelesen: 1.694

    Bücher, schnell gelesen: 1.694

    José Falero – Supermarkt (Hoffmann und Campe, 2024)

    Gelesen: 27.03. – 03.04.2024 (netto 311 Seiten)

    Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Nicolai von Schweder-Schreiner.

    Ein sehr südamerikanisches Buch. Marxistisch, wenn es es um die Ideologie geht. Tarantino, wenn es um die coolen Ideen und Dialoge geht. Und gnadenlos realistisch, vor allem auch mit dem Ende der Geschichte.

    Willkommen Pedro und Marques, aus den Favelas von Porto Alegre. Arm. Aber mit einem Job in einem Supermarkt. Lager. Regale. Putzen. Für kleines Geld.

    Aber Pedro ist durch und durch ein Marxist und will die Ungerechtigkeiten verändern. Und er ist durch und durch Favela-Bewohner und sieht daher eine geniale Geschäftsidee: Die Drogenbosse kümmern sich nur noch um Crack, Koks und Heroin – der gute alte Joint ist in Vergessenheit geraten.

    Und da Pedro gerne einen durchzieht um Entspannt sein Elend zu ertragen … will er eine Marklücke nutzen. Clever holt er das OK der lokalen Drogenbosse ein, im Niemandsland Grass zu verkaufen.

    Und der Gewinn wird sozialisiert (zumindest gerecht unter den Mitgliedern seiner kleinen Crew). Und ein Plan entwickelt schnell wieder auszusteigen. Nicht aufzufallen.

    Pustekuchen. Je mehr Erfolg sie haben, desto weniger bekommen wir Pedros sozialistische Weisheiten zu hören. Um so mehr Geld wird gemacht. Um so mehr schleicht sich unterdrückende Gewalt ein. Wird in reiche Viertel expandiert.

    Und so kommt es wie es kommen muss: Das kleine lokale Ding wird zu groß, statt geschicktem Weglabern von Problemen kommen die Probleme mit Gewalt zu ihnen. Und mit der Gewalt kommt der Tod.

    Weil der Tod, ist die Realität. In den Favelas.

    Ein ziemlich lustiger und kluger Blick auf systemische Ungerechtigkeiten in Brasilien, auf den “Tellerwäscher-zum-Millionär” Mythos und darauf das man mit List und Kreativität was anderes aufbauen kann. Und garantiert vom Weg abkommt.

    Eigentlich moderne Arbeiterliteratur. Wie weit würdest du gehen um ein besseres Leben zu erleben? Pedro jedenfalls hat am Ende seine entspannte Ruhe wieder.

    Im Knast. Und da kommt José dann noch mit einem kleinen aber feinen literarischen Kniff um die Ecke.

    Klasse Buch, macht richtig Spaß. Vor allem weil es Tod und Gewalt nicht auslässt.

    Soundtrack dazu: The Movement – We Got Marx, was sonst?

    PS: Und so sieht das aus in Porto Alegre…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.636

    Bücher, schnell gelesen: 1.636

    Kotaro Isaka – Suzukis Rache (Hoffmann und Campe, 2023)

    Gelesen: 01. –05.05.2023 (netto 297 Seiten).

    Ein echt untypischer Krimi aus Japan, vor allem weil die Geschichte mit sehr viel Humor daherkommt. Das Buch ist im Original von 2004 (!) und wurde wohl erst durch die erfolgreiche Verfilmung von Bullet Train (das Buch schrieb Isaka 2010) für den deutschen Markt interessant.

    Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren aus Japan setzt Isaka klar auf Tempo und auf sehr realen Irrsinn. Und das macht die Story extrem unterhaltsam.

    Im Grunde ist es ein “Ein Man sieht Rot” Muster: Der ehemalige Mathematikprofessor Suzuki will den Tod seiner Frau rächen. Als Schuldigen hat er den Sohn eines Unterweltbosses ausgemacht. Und an den versucht er ranzukommen, u.a. dadurch das er in seiner Organisation anheuert.

    Und dabei kreuzen sich seine Wege mit denen von 3 Profikillern: Der Pusher, der Leute killt in dem er sie vor Autos schubst. Der Wal, der Leute in den Selbstmord labern kann. Und die Zikade, ein zwanghaft schwatzhafter Messermörder, der jeden Auftrag übernimmt.

    Die Geschichte wird dabei aus allen 4 Blickwinkeln erzählt: Suzuki stolpert dabei ehr ungewollt seinem Ziel entgegen und die Killer machen das was sie können (auch wenn sie nicht alle überleben). Vor allem die Charaktere der Profikiller sind mit viel Liebe für das Schräge herausgearbeitet, ihre Dialoge bzw. Arbeitsweise sorgen immer wieder für Heiterkeit.

    Und mittendrin (aber irgendwie dann doch nicht so aktiv dabei) der aufrechte Suzuki.

    Tempo, Irrwitz und einige coole Wendungen. Perfekte Unterhaltung!

    Soundtrack dazu: Rocky & The Sweden – No Win Situation, was sonst?

    PS: In Japan wurde das Buch 2015 verfilmt…

    https://www.youtube.com/watch?v=i301EFFUU0M