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  • Bücher, schnell gelesen: 1.774

    Bücher, schnell gelesen: 1.774

    Joe Thomas – White Riot (btb, 2025)

    Gelesen: 28. – 30.05.2025 (netto 483 Seiten und 134 referenzierte Quellen)

    Aus dem Englischen von Alexander Wagner.

    Joe Thomas gibt als Referenz-Bibliographie u.a. David Peace mit 1983 (der letzte Band des Red Riding Quartetts) und GB84 an – alleine das macht das Buch für mich interessant.

    Dazu kommt die musikalische Referenz: Das Buch ist eingebettet in das London von 1978, das England von Margaret Thatcher (1979 zum Premier gewählt) und dem Carnival Against Racism am 30.04.1978 im Victoria Park:

    Und im Buch:

    ( (c) btb Verlag 2025)

    Die Geschichte des aufkommenden Thatcherismus erzählt Joe Thomas dabei aus der Sicht eines Polizisten. Detective Constable Patrick Noble ist quasi auf der richtigen falschen Seite: Während die SPG alles tat um ACAB zu formen ist der Job von Patrick in der MET Race Crime Initiative.

    Er soll Hass-Verbrechen verfolgen. Auch mit Undercover-Cops in Rechten und Linken Gruppen. Bei RAR hat er unter anderem Suzi Scialfa, eine junge Fotografin, zur Mitarbeit rekrutiert.

    Die Krimi-Geschichte (die es in dem Buch wirklich gibt) rücket dabei ziemlich in den Hintergrund, das Gerüst des Buches bleibt die historische Wahrheit: England und speziell London als angespannte und zersplitterte Nation, voller Rassismus allen Einwanderern gegenüber.

    Der flotte und lässige Straßenjargon kollidiert dabei oft mit den Zitaten realer politischer Personen, die eher zu einem ernsthaften Sozialgeschichtsbuch als zu einem Kriminalroman passen.

    Und während es schon cool ist Thatcher und Segs (von den Ruts) in einem Buch zu lesen bleibt das Buch doch erstaunlich dünn wenn es um die Stimmen der Opfer von Polizeigewalt geht.

    Ich vermute mal, das Joe Thomas den Krimi tatsächlich nur als Vorwand nimmt. Oder aber das ganze ist nur der Auftakt für ein viel größeres Bild – der nächste Band (Red Manace) ist bereits erschienen und zieht das Bild der Eisernen Lady, die ein neues England erschaffen will, noch weiter auf.

    Spannend aber auch anstrengend. Und ohne Kenntnisse über Thatcher und den Winter Of Discontent wohl nicht zu verdauen.

    Da ich diese geschichtliche Zeit in England aber total spannend finde, werde ich wohl weiterlesen.

    Soundtrack dazu: Red Alert – S.P.G., was sonst?

    PS: those where the days…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.721

    Bücher, schnell gelesen: 1.721

    Mike Nicol – Hitman (btb Verlag, 2024)

    Gelesen: 09. – 17.08.2024 (netto 467 Seiten)

    Aus dem Englischen von Meredith Barth.

    Der 5te und letzte Teil der “Capetown” Serie von Mike Nicol. Und Mike Nicol setzt mit diesem Buch einen fulminanten Schlusspunkt, soviel kann ich verraten.

    Der 4te Band endete mit einem blutigen Cliffhänger, in diesem Buch erfahren wir das Vicki Khan, quasi doppelte Partnerin von Fish Pescado, im Koma liegt. Überlebt hat. Aber quasi nicht mehr da ist.

    Die Geschichte beginnt mit der Leiche einer Frau, die von Kindern in den Dünen von Strandfontein gefunden wurde. Das ist aber nur der Auftakt zu einem ziemlich blutigen Parforce-Ritt:

    Vorhang auf für das normale Südafrika:

    – tödliche Schüsse auf einen nervigen Politiker vor dem Parlament
    – seine Nummer zwei wird zusammen mit einer Sexarbeiterin hingerichtet
    – ein ANC-Kabinettsminister beim Verlassen eines Sicherheitsgeländes ermordet
    – ein hochrangiger Polizist und Mitglied der SAPS Anti-Gang Unit, Colonel André „AJ“ Jacobs, wird erschossen in seinem Auto aufgefunden
    – einer von AJ’s Polizeikollegen (kurz vor der Rente) wird in seinem Strandhaus umgebracht (als Selbstmord getarnt)

    Fish Pescado stolpert alleine (Vicki liegt im Koma und steht ihm nur für Selbstgespräche zur Verfügung) und ohne volle Sicht in diese Story, weil AJs Witwe Antworten will und Fish bittet sie zu finden.

    Und je mehr sich Fish in den Mord an AJ hineinbeißt um so mehr wird die Geschichte … Groß. Sehr groß.

    Bis hin zum nie wirklich aufgeklärtem Mord an Olof Palme, zu dem es auch eine Theorie mit Bezug auf den Süd-Afrikanischen Geheimdienst gibt.

    Das großartige an der Story ist aber das Mike Nicol “das alles” zusammenbekommt ohne das es bemüht ausschaut oder überladen ist (auch wenn es mal so wirkt).

    Wenn der Leser wach und konzentriert bleibt, während Mike Nicol in rasantem Tempo voranschreitet und viele Wendungen einstreut, dann ist das Buch wie ein rasanter Actionfilm. Mein Kopfkino hat maximal gezündet, ich konnte mir jede Szene bildlich vorstellen.

    Und dazu kommt Mike Nicol mit ausreichend lakonischer Gewalt resp. Brutalität um die Ecke, seine Bösewichte sind ausgesucht … Böse. Und oft auf der Seite des Staates:

    Q: Your villains are often extremely creative in getting what they want. Where do you get these ideas, or shall we swiftly move to the next question?
    
    A: We should, indeed, swiftly move to the next question. However, I am planning to establish an agency for villains because some of them do really stupid things in real life. Unless, of course, they are defrauding the state of billions, then they are amazingly creative.
    
    (Mike Nicol in an interview from 2022)
    

    Ein großartiges Buch mit einem großartigem (weil realistischem) Ende. Wer genau mitliest und mitdenkt kommt auf 50% der Lösung bei ungefähr 3/4 des Buches. Dennoch haut Mike Nicol auf Seite 471 dann noch das perfekte Ende der Serie raus.

    Respekt!

    Soundtrack dazu: The Invaders – For Those Who Cry, was sonst?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.702

    Bücher, schnell gelesen: 1.702

    Kiko Amat – Revanche (btb, 2024)

    Gelesen: 26.04 – 01.05.2024 (netto 432 Seiten)

    Aus dem Spanischen von Daniel Müller.

    Das Cover zeigt einen Hammer (und das hat einen inhaltlichen Grund) und das erste was einem zu dem Buch auch einfällt ist … was für ein Hammer.

    Der Waschzettel referenziert A Clockwork Orange und Trainspotting, das ist erstmal ein Abtörner. Dazu verwenden einige Figuren im Buch Lokoslingo, ein vom Autor erfundenes Vokabular, das verwirrt zu Anfang (aber eine Übersetzungshilfe ist im Buchumschlag).

    Wenn sich der Leser dann aber in den harten, wilden, aggressiven und vulgären Erzählton eingelesen hat, dann ist es ein ziemlich großartiger wilder Ritt. Ein Ritt zusammen mit den Lokos, eine ex-Skinhead, ex-Ultra und nun kriminellen Hooligantruppe.

    Ein Setting im Fußball das ACAB von Carlo Bonini nicht unähnlich ist, aber weniger eine politische Karte zieht sondern ganz tief persönlich wird. Wie persönlich?

    Na, so …

    Kiko Amat – Revanche ( (c) btb Verlag 2024)

    Geschickt kreuzt Kiko Amat das Böse (die kriminellen Hooligans) und das Gute (ein Racheengel der Kinderschänder zur Strecke bringt). Oder ist es das Gute (ein Schwuler) gegen das Böse (ein ex-Militär der extrem brutal Leute killt)?

    Amador, der Vize-Capo der Lokos, ist ein guter Soldat für den Capo der Gruppe. Das er neben seinen kriminellen Aktivitäten noch eine Schwules Leben hat … das ahnt keiner. Und darf auch keiner Wissen. Skinheads, Hooligans – das sind doch keine Schwuchteln.

    Und obwohl er clever ist, trifft er unbewusst eine falsche Entscheidung: Ein Loko hat sich mit Drogengeld abgesetzt, also halten sie sich an seine Freundin (und deren Tochter). Das diese aber die Schwester eines ziemlich durchgeknallten Killers ist, das ahnen sie nicht. Und damit nimmt die Gewaltspirale Anlauf und gibt Vollgas.

    Lustig auch das Kiko Amat, dessen Vater Rugby-Spieler war, in dem Buch konsequent Rugby auf die gute Seite stellt und Fußball auf die üble. Aber, da ist ja Wahrheit drin. Viele, die sich als Ultras Macht in der Kurve erkämpft haben, nutzen diese Macht (und Körperlichkeit) auch außerhalb vom Fußball,

    Und meist für nix Gutes.

    Kiko Amat – Revanche – Klappentext ( (c) btb Verlag, 2024)

    Klasse Straßensprache, großartig realistische Gewalt und tatsächlich ein extrem modernes Buch das … den sinnlosen Kreuzzug gegen die Unschuld aufzeigt. So oder so.

    Ich werde noch mehr von Kiko Amat lesen, 100%.

    Soundtrack dazu: CRIM – Martells, reixes i altres invents de merda, was sonst?

    PS: Was für ein großartiger Booktrailer!