Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.690

    Bücher, schnell gelesen: 1.690

    Denise Mina – Fester Glaube (Argument Verlag, 2023)

    Gelesen: 08. – 14.03.2024 (netto 290 Seiten)

    Deutsch von Karen Gerwig.

    Die Fortsetzung von Klare Sache (und im Universum von Denise Mina ist das die “C” Serie: Conviction (Klare Sache) gefolgt von Confidence (Fester Glaube)) und wieder mit dem Backdrop “Podcast”, insofern ein ziemlich modernes Buch.

    Während Anna mit ihrem Sidekick in Klare Sache ein wenig Slapstick-Anti-Helden waren ist der Road Movie Backdrop in Fester Glaube weniger Slapstick, mehr Wahrheitssuche. Und eben Glaube, fester Glaube.

    Anna flieht aus einem verkackten Familienurlaub in eine temporeiche Suche nach einer verschollenen You Tuberin aus North Berwick (of all places). Lisa Lee ist eine erfolglose Influenzerin die sich in Frankreich als Urban Explorer (aka Videos über das eigene rumstolpern in Lost Places zu drehen) versucht hat. Und irgendwas in einem verlassenen Chateau entdeckt hat. Und … verschwunden ist.

    Die Story hat was für Anna und daher machen sie und Fin sich im Rahmen ihres True-Crime Podcasts auf die Suche. Und ab da wird das ganze dann fast schon eine Parodie auf Dan Brown und Umberto Eco. Plus eine ordentliche Portion Geschichte (Kirche hinter dem Eisernen Vorhang sowie der Gardner Museum heist).

    Plus ordentliches Essen:

    ( (c) Argument Verlag 2023)

    Das allerdings gibt es nur weil Anna und Fin einen Süd-Afrikanischen Millionär als Gönner gefunden haben, der sie mit Privatjet und Helikopter auf Tempo hält. Und auch auf der Suche nach Lisa Lee (bzw. dem was sie in dem Chatau gefunden hat.

    Und dieser Teil der Story ist dann doch zu konstruiert und nimmt den anderen Geschichten (Pfaffen, Boston, Mafia, Vatikan) den Raum sich zu entfalten. Ich habe fast das Gefühl das Denise Mina hier den Aufmerksamkeitsstil der heutigen Zeit imitiert: Kurz anlesen, weiterklicken.

    Im Grunde ist das Buch ein Spiegel dafür: Eine Zeit, in der niemand etwas wissen muss, außer wo und wie er fast sofort alles herausfinden kann, was er wissen möchte.

    Letztendlich eine Zeit in der man nie allein ist, nie unter dem Radar fliegen will (und kann). Und in der Nachrichten aufgeblasen werden um zählbaren Kontent zu generieren und Schlagzeilen so schnell wie möglich online gehen müssen – aus gleichem Grund.

    Clickbait.

    Und deswegen ist die Auflösung am Ende mehr eine ausgestreckte Zunge für diese Zeit als die Lösung eines Thrillers. Und lässt den Leser dann doch etwas enttäuscht und mit einem Fragezeichen zurück.

    Was war noch die Story?

    Soundtrack dazu: Steakknife – Total Lack Of Confidence, was sonst?

    PS: Ich müsste mir mal das englische Original angucken, aber ich vermute mal ins Blaue hinein das hier mal wieder eine gute Idee der Autorin ins Deutsche verkackt wurde. Ich bin bei solchen Dingen echt anal!

    Los geht es:

    ( (c) Argument Verlag 2023)

     Denise Mina hat also eine Idee, und zwar auf dieser Seite:

    ( (c) Argument Verlag 2023)

    Damit sollte das Buch dann auf Seite 226+70=296 enden, oder? Nein, es endet auf dieser Seite:

    ( (c) Argument Verlag 2023)

    In meiner Welt gibt es da nur eine Meinung: Verkackt!

  • Bücher, schnell gelesen: 1.689

    Bücher, schnell gelesen: 1.689

    Jasoer Fforde – Rot (Eichborn, 2024)

    Gelesen: 29.02. – 07.03.2024 (netto 496 Seiten)

    Übersetzung aus dem britischen Englisch von André Mumot.

    Da hat sich Jasper Fforde ziemlich viel Zeit gelassen: 2009 veröffentlichte er den ersten Teil der Farben Trilogie (Grau), erst jetzt kommt die Fortsetzung mit Rot (im Original etwas besser “Red Side Story”).

    Zu schön, Eddie und Jane sind zurück. Und mit ihnen das wunderbare Paralleluniversum von Chromatacia, einer alternativen Version des Vereinigten Königreichs, bei der die soziale Klasse durch die Fähigkeit einer Person, Farbe wahrzunehmen, bestimmt wird.

    Es gibt die Grauen – Arbeitssklaven. Es gibt die Roten – die zweitniedrigste Kaste. Und ganz oben die Purpurnen, die Chefs. Die Präfekten. Alles richtet sich nach den Regeln des Schöpfers, nach Munsell. Die Regeln sind dabei teilweise sinnfrei, lustig oder aber machtbewahrend. Und einige frei erfunden. Um zu strafen.

    Und das Leben selbst? Wahlfrei!

    ( (c) Eichborn Verlag, 2024)

    Dazu gibt es Technologien, die ehr schräg sind und dazu dienen mit den Regeln im Einklang zu sein. Die Technologien der “Gestrigen” finden sich hin und wieder auch, dürfen aber nicht mehr benutzt werden. Oder werden nicht mehr verstanden.

    Eddie und Jane gehören den Farben Rot und Grün an: Sie dürfen nicht heiraten und warten nun auf den Prozess wegen eines Mordes, den sie in Grau nicht begangen haben. Niemand darf die vielen strengen Regeln in Frage stellen, und seien sie noch so absurd. Aber Eddie und Jane sind verliebt, klug und neugierig und bereit, jedes Risiko einzugehen, um die Wahrheit über ihre Welt herauszufinden und um die Regeln in Frage zu stellen.

    Und Stück für Stück erarbeiten sie sich Wahrheiten, die sie – im Gegensatz zum Leser – aber nicht wirklich verstehen. Der Leser aber, quasi dank seiner Zugehörigkeit zu den Gestrigen, ahnt in welche Richtung das geht.

    Und da Eddie und Jane nicht aufgeben, obwohl zum Beispiel ihr Dorf wegen ihnen komplett ausgelöscht wird, kommen sie am Ende …

    … wird nicht verraten.

    Nur soviel: Jasper Fforde bekommt ein perfektes alternatives, phantastisches und hoffnungsvolles Brexit hin. Plus eine dystopische Zukunft für die Erde (mit einer klitzekleinen Referenz an Per Anhalter Durch Die Galaxis). Und einen perfekten Schlußsatz:

    "Oh, schöne, neue Welt", flüstert sie mir ins Ohr, "die solche Farben trägt."
    

    Ein unfassbar tolles Buch für ein phantastische Kopfkinoerlebnis. Wie schon für Grau gilt:

    Wer sich für Parelleluniversen begeistern kann und mit verschobener Realität klarkommt – für den ist dieses Buch – ja – ein muß! Lesen!
    

    Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer: Wann kommt der letzte Teil der Trilogie? Und wird er einen Farbnamen haben (ich glaube nicht)?

    Soundtrack dazu: The Crash Landings – Colour Of The Collar, was sonst?

    PS: Und so viele tolle Referenzen!

    Albert Henry Munsell, Erfinder des Munsell Farb-Systems. Shinobu Ishihara, Erfinder des Ishihara Farbwahrnehmungstests. Und natürlich der HSV Farbraum.

    There is no light or colour as a fact in external nature. There is merely motion of material. ... When the light enters your eyes and falls on the retina, there is motion of material. Then your nerves are affected and your brain is affected, and again this is merely motion of material. ... The mind, in apprehending, experiences sensations which, properly speaking, are qualities of the mind alone.
    
    (Alfred North Whitehead on the subject of colour)
    

    Love it, love it to the max!

    PPS: Grau war 2011 das 869te Buch in meiner Sammlung, Rot ist das 1.689te – das kann keine Zufall sein. Und 820 Bücher in 13 Jahren, not bad.

  • Bücher, schnell gelesen: 1.688

    Bücher, schnell gelesen: 1.688

    David Gray – Instinct (Piper, 2024)

    Gelesen: 25. – 28.02.2024 (netto 279 Seiten plus 11 Seiten Nachwort des Autors)

    David Gray hat seit seinen beiden Hamburg Krimis im Pendragon Verlag einen ziemlich großen Stein in meinem Lesebrett. Instinct ist aber kein Krimi sondern ehr ein … ja, was eigentlich?

    In jedem Fall ist es eine ziemlich realistische Vision einer Zukunft, in der Europa den Klimawandel ziemlich drastisch korrigiert. Und das verpackt in einen gar nicht so dystopischen Öko-Thriller.

    Fridays for Future hat geklappt, die Menschen wohnen “zentral” in modernen, automatisierten und mit weitestgehend künstlich hergestelltem Essen versorgten Städten – alles dazwischen (und das ist 90% des Landes) ist Wildnis. Extrem geschützte Naturreservate. Wo die Natur wirkt, ohne Eingriff, und damit in kleinen Stücken den Klimawandel dreht. Während die Menschen schräge Dinge wie Autoerotik und anderes machen.

    Der Mensch beobachtet und schützt diese Reservate, eine EU weite Organisation von Wildhütern übernimmt das. Diese wachen schichtweise in Beobachtungstürmen in der Natur und versuchen den Geheimnissen der Natur (was passiert wie warum) auf die Spur zu kommen. Und Wilderer fernzuhalten.

    Elena ist so eine Wildhüterin, Chefin über das Team eines Turms. Und irgendwie auf der Suche nach ihrem alten Chef – der da draußen in der Wildnis einfach verschwunden ist.

    Das Buch nimmt sich viel Zeit das Zukunftsszenario aufzuziehen und dem Leser eine Chance zu geben zu verstehen, wie das ganze funktioniert. Aber sobald die Drohne das Team in der Wildnis absetzt nimmt das ganze Fahrt auf. Spannungen im Team, komische Daten aus der Natur, verlorene Drohnen…

    … und das ganze geht Downhill. Mit immer mehr Tempo. Und zu dem beinahe dystopischen Szenario (aber nur beinahe) kommt dann noch eine Prise übersteigerter Feminismus, eine ordentliche Portion Nazi-Scheiße (leider ohne Reichsflugscheibe) und ein mörderischer Gegner (der so nicht erwartet wurde).

    Zum Glück wird das Downhill von Leichen begleitet – Elena steht am Ende dem Feind, der für sie Natur ist, alleine gegenüber. Und stirbt nicht.

    Was für mich ein perfektes Ende gewesen wäre. No Future In Motherfuckin’ Nature.

    David Gray aber ist böse, denn er hat ein anderes Ende versteckt. Eins in dem paradoxerweise das Frau-sein vor dem Tod rettet. Obwohl Gevatter Tod eine feministische Hand reicht.

    Das Ende des Buches kommt hart und hinterlässt irgendwie eine komisches Gefühl. Zum einen Weil die “Auflösung” ein wenig schräg ist, zum anderen weil da noch was ungesagt respektive unerzählt bleibt.

    Cliffhänger?

    Mein Kopfkino hat gezündet, am Ende aber waren Leinwand und Buch aber ein wenig auseinander. In meinem Kopfkino lief gegen Ende Doom, Wolfenstein und Gore. Das aber gibt das Buch dann doch nicht her.

    Aber als realistische Zukunftsidee? Chapeau!

    Soundtrack dazu: The Terrorsurfs – Ape Cape, was sonst?

    PS: Und der Autor – eigentlich Ulf Torrek – ist ein kluger Kopf. Und kann sich als gehkacken gelobt bezeichnen.