Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.693

    Bücher, schnell gelesen: 1.693

    Giles Blunt – Kanadische Wälder (Kampa Verlag, 2023)

    Gelesen: 23. – 26.03.2024 (netto 391 Seiten)

    Aus dem kanadischen Englisch von Anke Kreutzer.

    Und gleich nochmal Detective John Cardinal. In Kanadische Winter musste er sich ja nicht nur mit sich selbst, seiner Einsamkeit sondern auch seiner eigenen Schuld beschäftigen. Und der Leser bekam immer einen Vorsprung, da die Perspektive zwischen Polizei und Täter hin- und herwechselte.

    In Kanadische Wälder (outsch, irgendwie ziemlich doofe und plakative Titelwahl) verschiebt Giles Blunt das Setting auf sehr angenehme Weise auf lediglich den Polizeiblick:

    Cardinal und seine neue Partnerin Lise Delorme sind der einzige Blick für den Leser auf den Fall: Eine Leiche, im Wald, offensichtlich von Bären (an-)gefressen. Und dann noch mehr Leichenteile. Und eine tote Ärztin. Und das Bären-Opfer … mit vielen Fragezeichen.

    Dazu kommt dann noch der kanadische Geheimdienst, der sowohl die Polizei vor Ort als auch die Mounties (Royal Canadian Mounted Police) an der Nase herumführt. Irgendwas stimmt an der ganze Sache so gar nicht.

    Und damit ist John Cardinal exakt da wo er auch in Kanadische Winter seine Stärken entfaltet. Nämlich Stein für Stein umdrehen und die Wahrheit suchen. Und die führt ihn in die 1970er und zur sogenannten October Crisis. Und immer mehr einfache Wahrheiten werden komplizierte Ereignisse vor langer Zeit.

    Dazu bringen sowohl sein Vater (Ignorant seiner Herzkrankheit gegenüber), seine Partnerin (zu attraktiv) als auch seine Schuld (moralische Schulden wollen bezahlt werden) das ganze durcheinander. Und das kanadische Wetter sowieso.

    Bis zum Ende bleibt es es spannend, obwohl Blunt 60 Seiten vor Ende den eigentlichen Fall löst. Nur um danach das persönliche Happy End (die Schuld von John Cardinal wurde quasi left-field abgelöst) mit einer persönlichen Tragödie zu zerstören. Und den endgültigen Abschluss des Falles … killt Giles Blunt dann auch wieder. Der Täter, der reitet in die Nacht.

    Cool. Keine Happy Ends!

    Noch stärker als das erste Buch, vor allem weil es direkt mit einer spannenden Suche losgeht und diese Spannung dann ganz wunderbar über einen echten historischen Kontext gezogen wird. Und hochgehalten wird.

    Jetzt will ich auch den Rest. Bitte.

    Aber nicht als “Kanadische Wässer“. Zur Hilfe: Die Originale sind Forty Words For Sorrow, The Delicate Storm, Black Fly Season, By The Time You Read This, Crime Machines und Until The Night. Da kann man doch was besseres draus machen als Tourismuswerbung, oder Kampa?

    Soundtrack dazu: Territories – Heart That Breaks, was sonst?

    PS: Dieses Buch wurde in der TV Serie direkt übergangen. Zu delikat im historischen Kontext der franko-kanadischen Separatisten?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.692

    Bücher, schnell gelesen: 1.692

    Giles Blunt – Kanadische Winter (Kampa Verlag, 2023)

    Gelesen: 16. – 22.03.2024 (netto 454 Seiten)

    Aus dem kanadischen Englisch von Reinhard Tiffert.

    Endlich mal wieder was aus Kanada. Ontario, Kanada. Unten, im Südosten, wo es im Februar dunkel, kalt, verschneit und eisig ist. Und so fühlt sich Detective John Cardinal, seine Frau in der Psychiatrie, seine Tochter auf dem Weg nach Yale um zu studieren und er selbst vom Mord Dezernat in das Dezernat für Eigentumsdelikte versetzt.

    Zuhause ist es kalt und einsam. Sehr kalt. Sehr einsam.

    Und mit diesen Ingredienzien mixt Giles Blunt einen ziemlich bösen Krimi (der zu Anfang mehr Mystery Thriller ist) mit Figuren, die nichts Gutes im Schilde führen, in einer trostlosen Landschaft. Und der frustrierte Cardinal bekommt einen Mordfall, weil er vor vielen Monaten – noch als Mordermittler – seinen Chef angefleht hat weiter nach Chippewa Katie Pine zu suchen. Aber er durfte nicht. Und wurde versetzt.

    Jetzt muss er sie als Eisblock aus einem Bohrloch holen.

    Und so wird es sein Fall und der Start einer Mordserie. Zu Anfang kam mir einiges am Setting zu einfach vor, u.a. auch seine neue Partnerin (die eigentlich Interne Ermittlerin ist und – ja, ziemlich platt – auch im Geheimen gegen ihn ermittelt).

    Aber je mehr das Buch vorankommt, je mehr die Perspektive zwischen Polizei und Täter hin- und herwechselt – desto mehr Tiefe kommt in die Figuren und desto mehr Spannung kommt auf. Der Leser ist natürlich immer einen Schritt voraus, da er die Perspektive aus Täterseite hat.

    Ungefähr ab der Mitte verflüchtigt sich das Mystery Thriller Gefühl und es wird ein ehr harter Krimi mit ordentlich Spannung. Der Leser erfährt, wer die Gewalttaten begeht und dass sie ein neues Opfer haben, bereit es zu foltern und zu töten.

    Und damit stellt sich die Frage, ob die Cardinal sie finden wird, bevor das neue Opfer stirbt.

    Blunt macht das relativ geschickt: Am Ende beschreibt er sehr gut das die Polizei beim Ermitteln (und Retten von Opfern) eigentlich immer hinterherläuft. Dazu noch hat Blunt hat tiefes Gespür für Orte – für trostlose, matschige Straßen, abgewartzte Häuser, für frühe Dunkelheit und dafür, was es bedeutet, in einer Stadt im kanadischen Winter kalt und frustriert zu sein.

    Am Ende wird einiges gut, aber so ein echtes Happy End gibt es nicht. Das wäre auch viel zu einfach und würde zum dunklen Setting auch so gar nicht passen. Der zweite Teil folgt als nächstes, mal sehen wie das weitergeht.

    In jedem Fall gute Leseunterhaltung mit einem ordentlichem Schuss lakonischer Brutalität. Passt.

    Soundtrack dazu: PKEW PKEW PKEW – Cold Dead Hands, was sonst?

    PS: Das ganze wurde als Serie verfilmt, mal gucken ob ich das mal zu fassen bekomme.

    PPS: Und das ist damit quasi der Trailer zum Buch…

  • Bücher, schnell gelesen: 1.691

    Bücher, schnell gelesen: 1.691

    Frank Göhre – Harter Fall (Culturbooks, 2023)

    Gelesen: 15.03.2024 (netto 153 Seiten)

    Wie schon Die Stadt, Das Geld Und Der Tod ist dieses kleine aber feine Buch mehr eine Skizzensammlung (oder auch Drehbuch Idee) als ein ausgewachsener Roman.

    Hamburg, Winter 1978/1979. Aufhänger ist einmal der Film The Harder They Come (1972), der 1977 in Europa veröffentlicht wurde und und zum anderen eine tote junge Frau am Stadtpark.

    Der Film gibt dabei die Referenz für Kiez, Drogen und den Sehnsuchtsort Jamaika. Die Tote dient als Einblick in die, damals fest in konservativer sozialdemokratischer Hand, Stadtgesellschaft.

    Dazu bringt Frank Göhre dann noch einen klugen und authentischen Blick auf die damalige Jugendkultur, angetrieben durch die NDR Sendung “Der Club”. Und auf die Szenerie rund um das Chikago, das auch als Konzertstätte diente.

    Die einzelnen Handlungsstränge werden dabei elegant und klug verknüpft, das es aus jeder Szene mindestens eine Person gibt, die eine Überschneidung mit einer anderen hat. So bringt Frank Göhre dann auch ohne dabei dick aufzutragen die RAF mit unter. Die war auch in der Stadt.

    Alles, aber auch alles, ist dabei für jemanden wie mich (der damals als Teenager die Stadt und den Kiez sowie die Musik erkundete) voll realistisch – einzig die Namen sind geändert.

    Und auch das ist realistisch:

    ( (c) Culturbooks 2023)

    Schon erstaunlich wie gut Frank Göhre das Feeling der Stadt damals hinbekommt. Er ist nämlich erst 1981 nach Hamburg gezogen. Einmal aber liegt er falsch: Das Elysee Hotel darf nicht vorkommen, das wurde 1983-1984 gebaut und 1985 eröffnet.

    Ein ganz wunderbares Buch, eine ganz sanfte Gangsterballade aus einer Zeit wo es noch nicht um Kopf- und Kragen ging. Sondern um kleine und große Fluchten aus einer kalten Welt.

    Soundtrack dazu: Hermann’s Orgie – Hamburg, was sonst?