Lou Kollee, Pete Koller with Howie Abrams ´- The Blood And The Sweat (Post Hill Press, 2020)
Gelesen: 02.09.2020, netto 312 Seiten
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube Sick Of It All ist die Band, die ich am meisten Live gesehen habe. So 12 – 15 mal dürfte das gewesen sein. In kleinen Läden. In mittleren Läden. In großen Läden. Auf einem Open Air Festival in Barcelona. Und immer waren die Jungs top-sympatisch. Immer haben sie alles gegeben. Immer haben sie als Band und als Personen überzeugt.
Von daher war es keine Frage das ich auch das Buch der Koller Brüder direkt zum erscheinen bestellt habe (gibt es nur in Englisch, eine deutsche Ausgabe wird wohl ehr nicht herauskommen). Es ist eine Oral History, die fast nur O-Ton von Lou und Pete enthält.
Diese Stärke ist auch gleichzeitig die Schwäche dieses Buches, es fehlt ein wenig die Balance. Klar, Sick Of It All ist ihr Ding aber zB mit Armand und Craig haben sie eigentlich seit vielen Jahren ein festes Team in der Band. Da hätte ich mir gerne ein paar mehr O-Töne gewünscht.
Was in diesem Buch komplett fehlt (und das ist gut), ist gemecker über andere Bands. Was klasse ist, ist die richtige Einordnung ihrer Herkunft (aus Queens, nicht aus der Bronx – nicht von der Strasse), ihrer Erfolge (im Rahmen) und ihrer Stärken (100% auf der Bühne). In ihrem Tour-Ethos stehen sie den Ramones in nichts nach.
Und die eigentliche Stärke: Die Familie. Als Band. Als Väter. Als Söhne. Als Ehemänner. Ihr Job ist halt Touren und Musik machen. Passt. Und lustig: Aufgrund ihrer vielen Touren waren ihre Jobs dann eher Postelle bei Roadrunner Records als Manager.
Verglichen mit anderen Büchern über Bands oder Musiker ein wenig zu flach, allerdings voller Humor – vor allem wenn Lou und Peter verbales ping-pong spielen.
Grundsympatisch (trotz ihrer Metal Jugend), aber dafür brauchte es das Buch nicht.
Howie Abrams, James Lathos – Finding Joseph, I (Lesser Gods, 2017)
Gelesen: 15.07.2018 17:30 – 20:00, netto 262 Seiten (in Englisch, eine deutsche Übersetzung gibt es noch nicht)
Bad Brains und ihr Sänger H.R. waren immer eine Band voller Geschichten und Gerüchte. Ich hatte das Glück sie 1983 in Bremen im Schlachthof zu sehen (die legendäre “Bremen vs. Hamburg Schlacht“) und tatsächlich waren sie – zu der Zeit – live ein Knaller.
Das Buch gehört zu einem Film bzw. der Autor Howie Abrams hatte von dem Filmprojekt gehört und sich dann mit dem Filmemacher zusammengetan um die Geschichte von H.R. (nicht von den Bad Brains) nicht nur im Film sonder auch als Buch zu erzählen. Die Oral History kommt dabei von H.R. selbst und von Wegbegleitern.
Musikalisch möchte ich sie in ihrer Frühphase, dann kam zuviel Reggae, dann war ein wenig zuviel Metal drin und irgendwann hab ich sie ignoriert. Das hinter den Kulissen eine endlose Abfolge von Problemen stattfand ahnte ich nicht einmal. Das H.R. nicht der Problemlöser sondern ehr der Problemverursacher war konnte mann schon ahnen, der Reggae und Rasta kram war schon schräg bzw. wurden von ihm ehr schräg begleitet, dazu andere Begleiterscheinungen wie Homophobie (wurde auch in den 80er schon thematisiert) – aber erst jetzt versteh ich das.
Das Buch ist fast schon eine endlose Abfolge von “H.R. macht einen (weiteren) großartigen Plattendeal für die Bad Brains kaputt“, “H.R. verärgert beste Freunde” und “H.R. hat gefühlt 10 Kinder von 10 Frauen” und muss sich für seine Bandkollegen (und engen Freunde) sehr schmerzhaft lesen. Und für H.R. sowieso. Der war zwischenzeitlich total “durch” und auch Obdachlos. Im wahrsten Sinne des Wortes weggetreten.
Die Quintessenz kommt am Ende: Er trifft eine neue Freundin (und heiratet sie), dieser gelingt es zu ihm durchzudringen und zu erkennen das er ernstlich krank ist: “In 2016, H.R.’s wife, Lori, revealed that H.R. suffers from SUNCT syndrome, a rare neurological disorder which causes sporadic, excruciating headaches. He also suffers from schizophrenia. (Quelle: Wikipedia) “. Ab da bekommt er Behandlung und Medikamente, diese helfen.
In Summe eine lohnendes Buch: Der Autor (und die sprechenden Personen) behalten eine gesunde Distanz zu H.R. und was er so alles verursacht hat. Auch HR scheint deutlich reflektierter über alles was passiert ist zu reden.
Dabei wird mehr als einmal klar das sowohl DC Hardcore als auch NYC Hardcore wohl ohne die Bad Brains anders ausgesehen hätte oder aber überhaupt nicht gezündet hätte.
Klasse Buch! Gönnt es euch.
PS: Mein Lieblingsmomente? H.R. hatte keinen Bock auf lange Konzerte also packte er eine Passage in den Vertrag mit den Veranstaltern das, wenn diese das Publikum nicht im Griff hatten, das Konzert abgebrochen wird. H.R. provozierte das Publikum, der Veranstalter hatte das Publikum nicht im Griff und mit 25 Minuten Bühnenzeit gab es volles Geld. Clever.
Und die andere gute Idee?
( (c) Lesser Gods 2017)
Da bin ich bei Anthony (Bad Brains Manager von 1982 bis 2013): Wenn sie mit der Quickness LP als Vorband der U2 The Joshua Tree Tour an den Start gegangen wären, dann wären sie in den US mit Sicherheit durch die Decke gegangen. Zwar nicht so sehr im Punk Sektor aber im Stadion Rock. Aber eben kommerziell sehr erfolgreich.
Soundtrack dazu: Natürlich keiner (du ziehst ja auch nicht das T-Shirt der Band an die auf der Bühne spielt), aber die folgenden Filme helfen…
H.R, über Buch und Film:
Trailer über das Buch:
Und dann noch H.R. über die Band Brains Dokumentation “A band in DC”:
Und die Dokumentation:
PS: Für alle Hamburger die 1983 mit in Bremen waren hier nochmal das Audio-Dokument (wo der ganze HB vs. HH kram nicht wirklich rüberkommt):