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  • Bücher, schnell gelesen: 1.623

    Bücher, schnell gelesen: 1.623

    Alexandros Anesiadis – We Can Be The New Wind (Earth Island Books, 2022)

    Gelesen: 13.01. – 15.01.2023 (netto 814 Seiten)

    Das ist mal ein ziemlicher Brocken, ich würde sagen das geht als Enzyklopädie durch. Und dann noch über ein Nischenthema, da hat sich der griechische Plattensammler Alexandros Anesiadis aber was vorgenommen!

    Im Grunde versucht er wohl den Link zwischen Punk (End 70er) und Hardcore (Anfang 80er) zu Pop Punk (90er) und Indie Rock (whenever) zu setzen. Und dabei guckt er zurecht in Ecken wie zB die namensgebende LP von 7 Seconds (an der ich mich auch schon abgearbeitet habe) oder aber auch die Post-Hardcore Bands aus DC zur gleichen Zeit.

    Spannend ist mit welcher Bandbreite er unterwegs ist (ca. 150 Bands zumindest mit O-Tönen, ggf. auch aus eigenen Interviews), weitere ca. 900 werden genannt bzw. referenziert. Für mich sind dabei ehr die Bands interessant, die ich nicht kenne bzw. von denen ich keine Platten hab. Bei einigen, die ich auch schätze, freue ich mich das sie hier einen gerechtfertigten Platz bekommen, sei es Adrenalin O.D., J.F.A., Justice League oder auch Trusty.

    Was mich weniger antörnt ist das Format, weil es es mehr Fanzine als Enzyklopädie ist – sowohl textlich als auch gestalterisch. Zu oft werden die gleichen Jubel- bzw. Plattensammlerphrasen benutzt – das nutzt ab. Dazu kommt, das die Auswahl bzw. Linie nicht wirklich stringent beibehalten wurde, aus meiner Sicht wird das durchaus relevante Thema damit verwässert.

    Was auch fehlt, ist eine Sicht die größer als US/CAN und ein bisschen UK ist. Australien? Nur ein paar. Schweden? Fast gar nicht. Deutschland? Weitestgehend ignoriert. Liegt wahrscheinlich daran, das er die meisten Bands als Sammler auf Börsen oder beim Crate Digging gefunden hat (er ist Jahrgang 1981 und damit erst after the fact zu der Musik gekommen).

    Einmal habe ich mich sogar ein wenig aufgeregt: Den tatsächlich relevanten Chemical People wg. ihrer “oft pornographischen” Texte Vorhaltungen zu machen verkennt das Dave Naz (Chemical People, Down By Law etc) ein durchaus anerkannter Fotograf ist (der durchaus auch härtere Erotik im Portfolio hat). Was stört da bloß?

    Trotzdem ein relevantes Buch, da der von Alexandros verfolgte Link so auch von mir wahrgenommen wurde: Mitte der 80er zerfaserte da was und letztendlich waren die Grunge und Pop-Punk Millionen der 90er eine Ernte, die damals gesät wurde.

    Was zum stöbern für Sammler, nix für Experten. Ich bin beides nicht, also passt es nicht 100% für mich. Aber definitiv worth the effort!

    Extra Lob für das Cover vom großartigen Brian Walsby, das die wunderbaren The Nils ganz nach oben hebt. Falls ihr die nicht kennt, dann dreht mal Volume auf 12 und singt ihren wunderbaren Song Fountains mit (von 1985 und damit exakt ein Exhibit Extraordinaire für dieses Buch)

    I can remember long time ago
    When we were kids and said we didn't know
    Diving head first into a fountain of youth
    Didn't last long
    That's the truth now
    One day
    You changed your mind
    and only dream inside us most of the time
    that all of my prayers, all of the promises
    all of my pacts, all of my wishes won't last
    
    (c) Psyche Industry 1985
    

    Soundtrack dazu: Trusty – There Goes Sally, was sonst? Spannend bei dieser Platte ist das sie ehr das Exhibit zum Ende der Ära ist (1995) und für die Zeit total untypisch auf Dischord rausgekommen ist. Für mich immer noch ein veritabler Hit!

    PS: Und Alexandros so? Mag auch Crossover Metal (und hat dazu auch ein Buch geschrieben: The Edge – Where Hardcore, Punk and Metal Collide

  • Bücher, schnell gelesen: 1.622

    Bücher, schnell gelesen: 1.622

    Michael Connelly – Die Vogelscheuche (Kampa Verlag. 2022)

    Gelesen: 09.01. – 13.01.2023 (netto 514 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb

    Das zweite Buch der Jack McEvoy Reihe erschien im Original satte 13 Jahre nach dem ersten Band. Im ersten Fall war das FBI noch mit Modems auf BBS unterwegs, 13 Jahre später geht es schon im Internet, Serverhosting und Identitätsdiebstahl im Netz.

    Jack ist Polizeireporter bei der LA Times und auf der Abschussliste. 100 Stellen müssen eingespart werden, er – alt und teuer – ist Nummer 99 und hat 2 Wochen, dann ist er raus. In dieser Zeit soll er eine neue Kollegin, frisch von der Uni und billig, einarbeiten.

    Bock hat er keinen mehr aber eine komische Story landet auf seinem Tisch: Nachdem er eine Polizeinachricht veröffentlicht hat (ergo umformuliert aber 1:1 übernommen) meldet sich die Großmutter des geständigen Täters: Auf keine Fall hat ihr Junge den Mord begangen.

    Irgendwas triggert Jack und er geht der Sache nach – nur um festzustellen das die Polizei die Presse schön reingelegt hat: Der Junge hat nur einen Autodiebstahl gestanden, die Leiche im Kofferraum des Autos hat er nicht mal bemerkt.

    Und dann geht es Schlag auf Schlag: Seine Junge Kollegin findet einen ähnlichen Fall, Jack verbeisst sich in der Sache und erkennt eine Serie. Dafür geht seine junge Kollegin dann bereits im ersten Drittel drauf. Und ab da wird es spannend.

    Das Buch ließt sich flüssig, die Story ist wirklich spannend und zum Teil auch mit einer guten Tiefe ABER, und leider kommt ein ABER: Dadurch das auch aus der Sicht des Täters erzählt wird läuft es darauf hinaus das Jack und seine alte Freundin von FBI wieder durch ein Dickicht von falschen Spuren hetzen. Und am Ende muß es zu einem Showdown kommen.

    Bis dahin gibt es ordentlich Tote und einen tiefen Einblick in das Ende des Papier-Journalismus. Zum Glück bekommt Michael Connelly ein cooles Ende hin, das wiegt das ABER oben etwas auf.

    Soundtrack dazu: Scarecrow – Predator, was sonst?

    PS: Und Michael Connelly so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.621

    Bücher, schnell gelesen: 1.621

    Kevin Barry – Nachtfähre Nach Tanger (Rowohlt, 2022)

    Gelesen: 05.01. – 08.01.2023 (netto 196 Seiten)

    Aus dem Englischen von Thomas Überhoff.

    Ach, zu schön. Das erste Buch 2023 ist ein schmaler Band mit ehr abschreckendem Titel und abschreckendem Umschlgasbild. Aber dafür hat es dieses Buch – ebenso wie die Hauptdarsteller – fist thick behind the ears.

    Der Aufbau des Buches ist dabei extrem hilfreich, es wechselt zwischen banter (Charlie und Maurice, die Hauptpersonen) und Rückschau (quasi Background zum banter).

    Du kennst BANTER nicht?
    
    Oxford Dictionary: Banter is the playful and friendly exchange of teasing remarks.
    
    Oder:
    
    The magnificent art of using word play, opinions, exaggeration, irony, sarcasm, and other comedic themes to (playfully) humiliate, make fun of, and laugh at your friends. This word is most commonly used in Britain, but 'Banter' is used around the world.
    
    Tom: Your dick is so small!
    Dick: Your mum didn't seem to mind it last night!
    Harry: (absent)
    

    Charlie und Maurice sind in die Jahre gekommene irische Gangster aus der Berufsgattung Drogenhändler. Waren ganz oben, jetzt ist das Geld ist weg (die eigene Drogenabhängigkeit zum Glück auch), die Frau die beide liebten ist Tot und die Tochter von Maurice ist auch auf und davon.

    Im Fährhafen von Algecrias warten sie auf die Fähre aus Tanger … denn die Straße erzählt das die Tochter von dort übersetzen könnte. Und street smart sind die beiden immer noch.

    Und während Maurice und Charlie einander frozzeln und versuchen aus Dreadlock Hippies mit räudigen Kötern informationen herauszubekommen erzählen uns die Rückschauen das gesamte Grauen das mit diesen beiden einhergeht.

    (c) Rowohlt Verlag Hamburg

    Der Humor ist in den Dialogen, das Grauen in der Rückschau. Das ganze ist eine detaillierte und ziemlich eindringliche Darstellung von Verbrechen (vor allem im Sektor Drogen) und den wahren Folgen: Verschwendung, die wahnsinnigen Risiken (für einen Selbst und für die Liebsten), die latente Bedrohungslage, die Paranoia und die dubiosen Geldwäsche- und Immobiliendeals.

    Und natürlich den Tribut an die eigenen Seele (“Angst essen Seele auf”).

    Großes Kopfkino, immer humorvoll und mit einem überraschendem Ende. Verraten will ich nur das Maurice und Charlie offensichtlich auf ewig in diesem Fährterminal (als Vorort zur Hölle) gefangen sind.

    Klasse Buch, guter Einstieg in 2023!

    Soundtrack dazu: Wat Tyler – Visions Of The Daughters Of Albion, was sonst?

    PS: Und Kevin Barry so?