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  • Bücher, schnell gelesen: 1.675

    Bücher, schnell gelesen: 1.675

    Heather Levy – Der Süsseste Tod (Polar Verlag, 2023)

    Gelesen: 22. – 26.12.2023 (netto 352 Seiten plus Nachwort von Sonja Hartl)

    Aus dem Amerikanischen von Kathrin Bielfeldt.

    Harte Lesekost für die “besinnlichen” Tage. Aber die ehr zufällige Reihenfolge in meinem Leserückstand hat mir dieses großartige Buch aus der Polar Dark Places Reihe quasi zu Weihnachten geschenkt.

    Alleine schon der Einstieg: 1994, irgendwo im Farmland von Blanchard, Oklahoma. Die 16 jährige Samantha (aka Sam) denkt an ihren Stiefbruder, masturbiert und schnürt ich dabei die Luft ab. Denn Sam hat früh gelernt das die Lust, die Erlösung, sie nur ereilt wenn sie sich Schmerzen zufügt.

    Und damit bekommen wir eine ordentliche Portion der Autorin mit auf den Weg, oder?

    Ich spreche offen über meinen Masochismus und im Laufe der Jahre haben mich die Leute manchmal gefragt, ob ich in meiner Jugend sexuell missbraucht wurde. 
    
    Sie versuchten, einen Auslöser für meine Sexualität zu finden, obwohl ich in Wahrheit einfach schon immer so war. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn ein Sexualtäter von dem angeborenen Masochismus eines Menschen wüsste und ihn manipulieren würde, um ihn zu missbrauchen. 
    
    Ich wollte herausfinden, wie sich das auf die Sexualität des Überlebenden als Erwachsener auswirken würde.
    
    (Sonja Hartel, Interview mit Heather Levy in CrimeMag September 2023)
    

    Nicht umsonst ist Heather Levy die Autorin einer Sachtext-Reihe über menschliche Sexualität, einschließlich „Welcome to the Dungeon: BDSM in the Bible Belt“ für Literati Press.

    Und damit wird ein ziemliches großes Dunkles Tor geöffnet: Sam liebt ihren Stiefbruder Eric (aka Arrow) und liebt die Erlösung, die sie durch die Brutalität von Eric’s Vater (aka Isaac) findet. Ihre Mutter, voller Liebe für Isaac ist natürlich stereotypisch Opfer-blind. Einzig ihre Großmutter, die auch auf der Farm lebt, hat alles im Blick. Aber ruft auch nicht die Cops.

    Geschickt springt Heather Levy zwischen heute (2009) und damals (1994) hin- und her, jeweils aus der Sicht von Sam oder Eric. Schnell ahnt der Leser das 1994 irgendwas passiert ist was die beiden auseinandergebracht hat.

    Und diese Punkt, den arbeitet Heather Levy ganz wunderbar fies und langsam heraus:

    Ich hielt es für wichtig, dass die Lesenden Sam und Eric zum Zeitpunkt ihrer Traumata und später im Erwachsenenalter kennenlernen und erfahren, wie sich das auf sie ausgewirkt hat. 
    
    Von der Struktur her konnte ich durch die zwei Zeitebenen auch mehr Spannung erzeugen, aber es war schwierig, die richtige Balance zu finden, damit die Leser dem Buch folgen konnten.
    
    (Sonja Hartel, Interview mit Heather Levy in CrimeMag September 2023)
    

    2009 stehen dann die Cops vor der Tür, der weiße Chevy von Isaac ist in einem Teich gefunden worden (wo er wohl seit 1994 lag) und an der Leiche konnten Spuren von Gewalt identifiziert werden. Und damit sind sowohl Sam als auch Eric tatverdächtig.

    Ab da geht es im Buch um Vertrauen: Gewinnen, behalten. Wie bei Sex, in dem Gewalt gewollter Bestandteil ist. Und auf Vertrauen fußt.

    Ziemlich hartes Buch, obwohl kein wirklicher Krimi. Mehr eine ganz, ganz Dunkle Psychogeschichte. Zumal geborene und ungeborene Kinder eine große Rolle spielen.

    Das Buch erzeugt eine dichte, fasst atemlose Atmosphäre. Voller Sex und Gewalt, allerdings ohne das dieser dabei plakativ eingesetzt wird – er erzeugt ehr eine intime und unheilvolle Atmosphäre.

    Nur was für starke Mädchen. Wie Sam.

    Soundtrack dazu: Complete Loss – Needle Park, was sonst?

    PS: Und Heather Levy so?

    PPS: Das deutsche Cover ist mir ein wenig zu plakativ…

    Heather Levy – Walking Through Needles (Polis Books, 2021)

    PPPS: Und Blanchard, Oklahoma. Hat Pro’s und Con’s 🙂

  • Bücher, schnell gelesen: 1.674

    Bücher, schnell gelesen: 1.674

    Jacob Ross – Shadowman (Suhrkamp, 2023)

    Gelesen: 11. – 21.12.2023 (netto 451 Seiten)

    Aus dem karibischen Englisch von Karin Diemerling.

    Der erste Band des Camaho Quartet war ein ganz wunderbares Buch, mit Shadowman kommt “endlich” der zweite Band.

    Wieder sind die Frauen die eigentlich starken Personen und diesmal fokussiert sich Jacob Ross ganz auf Michael “Missa Digga” Digson und seine Kollegin Miss Stanislaus.

    Jacob Ross erklärt das in einem Interview ziemlich elegant:

    That’s the point I make when contrasting Miss Stanislaus with Digger. More often than not Digger is ‘rational’ and gets results, yes; but look at the kind of intelligence that Miss Stanislaus deploys to get at the truth. 
    
    She arrives at insights and conclusions before she rationalizes them, much as James Watson did in working out the double helix structure of DNA, or Elias Howe allegedly did with the sewing machine.
    
    Quelle
    

    Dazu glänzt die Geschichte auch wieder mit viel Humor, viel Lokalkolorit und … großartigen Drinks:

    ( (c) Suhrkamp Verlag 2023)

    Am Ende hat Missa Digga seine Freundin verlassen, Miss Stanislaus gerettet, einen Drogenschmuggel aufgedeckt und einen Kollegen … kaltgestellt. Und die ganze Zeit habe ich mich gefragt ob Miss Stanislaus jetzt mehr wird als seine Kollegin.

    Großartig, coole Figuren und ein perfekt lockerer Ton. Wo sonst brennen Grannies Kokain-Fabriken nieder, wieder und wieder, bis die Drogenpanscher ihre Insel verlassen?

    So geht Lokalkrimi.

    Soundtrack dazu: Kirk And The Jerks – Engine No. 9, was sonst?

    PS: Und Jacob Ross so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.673

    Bücher, schnell gelesen: 1.673

    Michael Connelly – Glutnacht (Kampa, 2022)

    Gelesen: 08. – 10.12.2023 (netto 453 Seiten)

    Aus dem amerikanischen Englisch von Sepp Leeb.

    Auch wenn ich sehr gezielt lese kaufe ich meine Bücher immer noch opportunistisch in der Buchhandlung meines Vertrauens. Manchmal liegen sie einfach da, manchmal frag ich nach und bestelle.

    Und manchmal kaufe ich aus einer Serie in der falschen Reihenfolge und merke es nicht. Und das ist mir hier passiert, das ist Buch 3 aus der Renee Ballard (mit Harry Bosch Serie) und – Schande – ich habe schon Band 4 gelesen.

    Damn. Zumal ich den Cliff-Hänger aus Band 2 damit …. habe hängen lassen. Aber besser zu spät als nie, oder?

    Das ganze ist Buch #33 von Michael Connelly, Band 3 der Renee Ballard Serie und in ihm kommt fast das gesamte Bosch Universum zusammen, inklusive Michael Haller (dem Lincoln Lawyer) und Maddie Bosch. Und wer sich in dem Bosch-Kosmos von Michael Connelly auskennt, der fühlt sich wie zuhause.

    Zumal die Story selbst eigentlich beides ist: Einmal Renee Ballard, einmal Harry Bosch POV – und so wird sie auch erzählt. Ausgangspunkte sind ein toter Obdachloser und die Beerdigung von Harrys Mentor (und das von ihm beim LAPD geklaute Mordbuch, das die Witwe Harry übergibt – der es Renee überlässt).

    Und da jeder Tote zählt Ballard und Bosch aus einem Cold-Case einen Hot-Case, ziemlich hot sogar und mit einem blutigem Ende. Superspannend erzählt, großartige Detailtiefe in Sachen echter Polizeiarbeit und … die Bösen sind einmal mehr die, die es sowieso sind. Gangster. Anwälte.

    Ach, es ist einfach ein herrliches Universum. Wann kaufe ich die 12 Bücher aus der “reinen” Harry Bosch Serie bei Kampa?

    Soundtrack dazu: The Clocks – Confidentially Renee, was sonst?

    PS: Und Michael Connelly?