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  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.514

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.514

    Taylor Brown – Maybelline (Polar Verlag, 2021)

    Gelesen: 09. – 11.04.2021, netto 392 Seiten.

    Die Polar Dark Places Reihe hat was. Mit gekonnter Hand werden Bücher ausgewählt in der die Landschaft, die Örtlichkeiten und das ganze drumherum eine Hauptrolle spielen. So auch in Maybelline, das in den 1950er Jahren im Hochland von North Carolina spielt.

    Die Wälder am Berg sind alt, dunkel und voller Geheimnisse. Und Menschen, die vor vielen Jahren auf den Berg gezogen sind. Und ihr Geld mit illegalem Alkohol verdienen.

    Taylor Brown schafft mit wenigen Charakteren eine stimmige Szenerie: Rory, der junge Bootleger mit dem getunten Schmuggelauto (Krankenwagenmotor mit Turbolader) und seine Großmutter, die Kräuterhexe vom Berg. Rory hat einen großen Nachteil, er hat in Korea ein Bein verloren und der Job als Alkoholschmuggler ist der einzige den es für ihn gibt.

    Schmuggler, irre Priester, korrupte und Bullen die kleine Könige sind. Aber das sind nicht die Starken in diesem Buch (das weniger Krimi sondern Milieustudie ist). Die Starken sind die Frauen: Rorys Mutter, die in einer Irrenanstalt sitzt seit der KKK ihren Freund ermordet hat. Seine Großmutter, die Dinge sieht (und vorhersieht) die alles auf dem Berg umkrempeln.

    Und Rorys Freundin, die Tochter des irren Priester, die als starke Frau einen einsamen einbeinigen liebt.

    Eine unfassbar stimmige Geschichte, mit ein wenig Crime, in einer tollen Landschaft. Und jede Menge 1952 Feeling. Wow – ganz stark!

    Soundtrack dazu: One Man Army – The Bootleggers Son, was sonst?

    PS: Was mich dann doch verwundert hat ist das es tatsächlich auch heute noch “dry counties” gibt, in denen der Verkauf von Alkohol weitestgehend verboten ist. Auch in North Carolina.

    Map of Dry Counties

    PPS: Taylor Brown ist auch ganz nett…

  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.513

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.513

    Tom Franklin – Wilderer (Pulp Master, 2020)

    Gelesen: 05. – 08.04.2021, netto 237 Seiten.

    Und noch einmal ein herrlich positiver Kontrast zu den 2.600 Seiten Natchez: 10 Kurzgeschichten von Tom Franklin, jemand der in seiner Heimat ganz tief verwurzelt ist.

    Diese 10 Geschichten sind vor seinen andere Büchern entstanden, es ist aber wohl völlig egal ob ihr zuerst den Gore-Western Smonk oder den Schuld & Sühne Krimi Krumme Type, Krumme Type lest. Wenn dir Joe R. Lansdale oder James Lee Burke gefällt dann sollte die diese etwas derbere Sicht auf eine ganz andere Welt auch gefallen.

    Die 10 Geschichten sind kurz, weniger kurz und lang. Es geht um Landschaft, es geht um Jagd und es geht um Gauner. Mein Liebling ist die Story aus dem Kieswerk die hat alles was eine coole Kurzgeschichte braucht. Und ein cooles Ende.

    Die Welt von Tom Franklin ist eine Welt voller Vergessener, voller Verlierer und einer Umwelt, die von der Welt vergessen wurde. Am Ende geht es aus meiner Sicht immer um Freiheit und Tom Franklin legt diesen Begriff ehr maximal aus.

    Klasse Teaser, ich möchte aber mehr – vollständige Bücher.

    Soundtrack dazu: Flagbearer -Southern Hostility, was sonst?

    PS: Netter Kerl, der Tom. Aber er will kein Southern Writer sein…

  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.512

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.512

    Ted Lewis – Schwere Körperverletzung (Pulp Master, 2020)

    Gelesen: 01. – 04.04.2021, netto 318 Seiten.

    Bäng – nach 2.600 amerikanische Südstaaten kommen 318 Seiten erfrischendes England aus den 70ern. Erschienen 1980 und sowas wie das Vermächtnis von Ted Lewis – er hat es nämlich vorgezogen sich tot zu saufen (was er mit 42 Jahren 1982 dann auch geschafft hat).

    Bester britischer Noir sagen Experten, ich bin keiner aber ich erkenne inzwischen eine Perle wenn ich sie lese. Zwei einfache Handlungsstränge (“Der Rauch” und “Die See”) wechseln sich in kurzer Folge ab und schnell erkennt der Leser das beide irgendwie zusammengehören.

    George Fowler ist ein echter englischer Gangster und er verdient sein Geld vor allem mit einer Sache die England schon immer verpönt war: Sex. Er dreht und verkauft 8mm und 16mm Pornofilme, alles unter der Hand, alles gegen viel Bargeld.

    Aber dann realisieren seine Frau und er das ihn seine Leute betrügen. Wo viel Geld, da viel Gier. Und das kann er nicht auf sich sitzen lassen. Und das einzige Mittel das er kennt um für Ordnung zu Sorgen ist schwere Körperverletzung (im englischen grievous bodily harm):

    Whosoever shall unlawfully and maliciously by any means whatsoever wound or cause any grievous bodily harm to any person, ... with intent, ... to do some ... grievous bodily harm to any person, or with intent to resist or prevent the lawful apprehension or detainer of any person, shall be guilty of felony, and being convicted thereof shall be liable ... to be kept in penal servitude for life ...

    Offences against the Person Act 1861

    Und damit gleiten wir von “Rauch” zur “See” – denn an der See versteckt sich Fowler unter falschen Namen bis Gras über “Die Sache” gewachsen ist. Und hier wird aus einem hard-boiled noir dann auch ein intelligenter hard-boiled noir: Fowler wird nämlich ganz offensichtlich verrückt. Der ständige Wechsel von “Rauch” zu “See” und zurück wirft dem Leser dabei immer wieder kleine Brocken zu die mehr und mehr erklären.

    Am Ende ein klassischer Showdown ala “Der König ist tot, es lebe der König“. Und, fun fact am Rande, der Rechtsanwalt bleibt auf der Seite der Macht (wen wundert das). Ach ja, die Polizei ist nur korruptes Beiwerk.

    Ein großartiges Buch, hart, realistisch und mit überraschend feiner (cleverer) Nadel gestrickt. Bonus: Immer schön aus der “Ich” perspektive erzählt.

    Soundtrack dazu: Charged G.B.H. – See The Man Run, was sonst?

    PS: Ted Lewis hat auch Jack’s Return Home geschrieben, das als Get Carter gleich mehrfach erfolgreich verfilmt wurde. Schade das Ted Lewis sein Talent im Glas versenkt hat.

    1971 ganz klassisch mit Michael Caine …

    … und 2000 ganz scheiße mit Sylvester Stallone: