Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.647

    Bücher, schnell gelesen: 1.647

    Jenny Lund Madsen – 30 Tage Dunkelheit (Tropen, 2023)

    Gelesen: 16. – 23.06.2023 (netto 391 Seiten).

    Aus dem Dänischen von Julia Gschwilm.

    Literatur, Lyrik … My Ass! Fast schon ein Feindbild für mich. Ich will Crime. Hard-Boiled. Insofern ist die Heldin (aka die arrogante Literatin) schnell das personifizierte Schlechte, Nervige … das Feindbild.

    Zum Glück geht das auch den anderen Personen im Buch so.

    Hannah Krause-Bendix (perfekter Name um sich bereits darüber aufzuregen) schreibt Literatur, wohl für Frauen, die tolle Kritiken bekommt aber sich nicht verkauft. Sie kuckt hochnäsig (aus der Position der Hochkultur) auf Krimi-Literatur runter, für sie ist das langweiliger billiger Dreck.

    Auf einer Literaturmesse legt sie sich mit jedem an, auch mit Jørn Jensen (einem der billigen Krimi Schreiber). Und als ihr vor laufender TV-Kamera die Argumente ausgehen haut sie

    In einem Monat habe ich einen Krimi geschrieben, der besser ist als alles, was du jemals veröffentlicht hast.
    

    raus. Und kommt aus der Nummer nicht mehr raus. Ihr Agent schickt sie nach Island, zu Freunden seiner Familie, in das Dorf Húsafjöður, in der Hoffnung das ihr Ruhe und Einsamkeit Inspiration schenken.

    Das Schicksal schenkt ihr aber eine Leiche und ab da dilettiert sie als Detektivin durch die Landschaft (und nutzt die Story als Rohmaterial für ihr Buch). Und da sie keine Ahnung hat was einen guten Krimi ausmacht, fällt sie jedem möglichen Twist (oder auch red herring) zum Opfer. Am Ende hat sie fast alle Einwohner des Dorfes als Mörder überführt (und wird doch immer wieder von der Realität überholt).

    Jede, aber auch wirklich jede, Krimiplattitüde wird hier auf dem Rücken von Hannah abgeritten. Kleine Dörfer und ihre Geheimnisse. Kleine Dörfer abgeschnitten vom Rest des Landes durch einen endlosen Schneesturm. Unfähige Polizisten. Überraschende Liebe, die die Angelegenheit noch schwerer macht. Noch mehr Leichen.

    Herrlich, immer wieder stürzt sich Hannah auf die nächste neue Idee respektive Plattitüde nur um wieder in der Realität zu landen.

    Großes Kopfkino, perfekte Anti-Heldin mit perfekter Ego-rotziger Attitüde und ein Buch über einen Krimi der in einem Krimi … einfach ein genialer Kniff. Ist das ein Meta-Krimi? Aber kein Wunder, Jenny Lund Madsen ist eine erfahrene und erfolgreiche Drehbuchautorin. Die kann Plot und Atmosphäre.

    Endlich mal wieder ein richtig überraschender Krimi bei Tropen. Schön.

    Ach ja, schafft Hannah den Krimi? Wird nicht verraten.

    Soundtrack: Planet Y – M​ø​rkets Tid, was sonst?

    PS: Und Jenny Lund Madsen so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.646

    Bücher, schnell gelesen: 1.646

    James Kestrel – Fünf Winter (Suhrkamp, 2023)

    Gelesen: 13. – 15.06.2023 (netto 486 Seiten).

    Aus dem amerikanischen Englisch von Stefan Lux.

    Es gibt Dinge auf dieser Welt, die würde ich gerne nach meinem Gusto haben. Zum Beispiel wünsche ich mir das jeden Monat ein Krimi bei Suhrkamp, Polar, Pulp Master, Rotbuch und Hard Case Crime herauskommt.

    Finde den Fehler.

    Ja, Suhrkamp und Polar liefern zuverlässig. Pulp Master ist da schon schwieriger. Die tolle Rotbuch Krimi Reihe ist quasi verstorben. Und die deutsche Ausgabe von Hard Case Crime (auch bei Rotbuch) ist schlicht und einfach … verstorben. Ich finde das Scheiße. Echt Kacke.

    … Hard Case Crime in Deutsch. Leider nach Band 18 verstorben. ( (c) 2023 gehkacken.de)

    Um so glücklicher war ich das ich beim öffnen dieses Buches im Impressum lass “Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Five Decembers bei Hard Case Crime”. Yippie!

    Auf dem deutschen Umschlag steht prominent “Ein Krimi-Epos für die Ewigkeit” (als Zitat von Dennis Lehane) und “EDGAR AWARD 2022 für den besten Krimi des Jahres”. Für mich ein wenig viel Tam-Tam, dazu ein Cover das so gar nicht zu Hard Case Crime passt …

    …. im Original sieht das so aus:

    James Kestrel – Five Decembers (Hard Case Crime, 2021)

    Und, quelle surprise, es ist tatsächlich ein großartiges Buch. Ne, eigentlich kein Wunder. Hard Case Crime!

    Das Buch spielt vor, während und nach dem 2ten Weltkrieg in Hawaii, Hongkong und Japan. Und bedient sich eines cleveren Kniffs um sowohl hard-boiled Detektive Story als auch Epos zu sein.

    Detektive Joe McGrady, ex-Army Captain aus dem 1ten Weltkrieg, ist beim Honolulu PD eher gelitten als gemocht. Trotzdem bekommt er quasi am Vorabend des Überfalls der Japaner auf Perl Harbor einen Fall. Und der entpuppt sich als Sprengbombe: Blutig, grausam und eine Japanerin und der Neffe eines 4-Sterne Admirals sind tot.

    Und während McGrady auf die Spur des möglichen Mörders angesetzt wird und damit Richtung Westen und Hongkong fliegt, dampft die Japanische Flotte gen Osten und Richtung Perl Harbor. Und tritt den Krieg los.

    Der auch Hongkong erreicht und McGrady, der von seinem Gegner ausmanövriert wurde, im Polizeigefängnis erwischt. Wo er die “Befreiung” durch die Japanische Armee nur überlebt. weil er Amerikaner ist.

    Tja, wie funktioniert das Detektivspiel als Kriegsgefangener? Ab hier wird aus dem hard-boiled Krimi eine ziemlich spannende historische Geschichte mit einem klugen und spannenden Blickwinkel (ich verrate nix).

    McGrady überlebt (aka Fünf Winter) den Krieg in Tokyo, kehrt als totgesagter nach Honolulu zurück und lässt sich sein aufgelaufenes Gehalt nachzahlen. Und kündigt. Und nutzt sein Wissen aus Japan um den alten Fall zu lösen. Und das kommt wieder schön hard-boiled rüber, mit allem was dazugehört (Alkohol, Liebe, Verlust, Gewalt und Verrat). Plus Nazi-Spione. Und und und – ein perfekter Strauss!

    James Kestrel hat mit dem Buch quasi ein komplett neues Genre erfunden, super spannend mit ganz viel historischem Bezug. Das Buch ist immer in voller Fahrt, dennoch schafft er es langsame Momente einzupassen, die überhaupt nicht stören. Ist das eine Adventure-Noir? War-Noir? Mystery-Noir?

    Dazu extrem kenntnisreiche Details, wer aufpasst lernt noch was.

    Ja, das hat was. Zum ganz großen Epos reicht es nicht (dann hätte es das Format von Neal Stephensons Baroque Cycle haben müssen), aber ich bin ziemlich sicher das ich das auf der Leinwand sehen werde.

    Die Story ist zu gut. Gerade auch weil ohne Happy End.

    Was sagt die Welt dazu?

    "Crisp, vivid writing—not a word is wasted...as satisfying as it is deeply unsettling...Highly recommended."
    
    "One hell of a good story. FIVE DECEMBERS blew me away."
    
    "Utterly enthralling. Wildly ambitious and deeply haunting, FIVE DECEMBERS drops you in the middle of a dark noir dream full of heat, loss and memory. Not to be missed." 
    
    "War, imprisonment, torture, romance, foreign language and culture are all explored with genuine feeling. The novel has an almost operatic symmetry, and Kestrel turns a beautiful phrase, too...[He] does this very, very well." 
    
    "Magnificent...a work of panoramic historical fiction [that’s] also a transcendent love story and a gripping thriller...All [the] plot strands come together exquisitely in a truly breathtaking finale that is unbearably violent one moment and tearfully tender the next. Give this special novel the word of mouth it so richly deserves."
    
    "Hardboiled fiction at its best: an exceptional tale, filled with emotion.
    
    "Epic...razor sharp."
    

    Auf gehts, Kaufen!

    Soundtrack dazu: Rotten Blossom – Suffering, was sonst?

    PS: Und James Kestrel so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.645

    Bücher, schnell gelesen: 1.645

    James Lee Burke – Angst Um Alafair (Pendragon Verlag, 2023)

    Gelesen: 01. – 12.06.2023 (netto 663 Seiten).

    Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger.

    In Band 20 geht es zurück nach Montana, wie schon in Band #3 und Band #17. Aber diesmal wollen Dave samt Familie (Ehefrau Molly, Tochter Alafair) sowie Clete einfach nur Ausspannen und die Wunden (aus Band #19) heilen.

    Die Story beginnt harmlos und mit einer falschen Fährte. Aber irgendwer ist hinter Alafair her. Und er kennt Alafair, hat sie ihn mal im Gefängnis interviewt? Er war das sprichwörtlich Böse, aber er ist ja bei einem Autounfall des Gefangenentransports um Leben gekommen. Sagen die Cops.

    Im ersten Drittel geht es üm das allgemeine Böse (in Menschen, auch bei Cops) und darum das Asa Surrette möglicherweise überlebt und seinen Weg nach Montana gefunden hat.

    Asa kennt keine Grenzen, liebt es zu Quälen und sich in das Leben von normalen Menschen einzuschleichen. Manipulativ. Böse. Und er hegt seit langem einen Groll gegen Alafair.

    Die Suche nach Asa steht im Mittelpunkt, aber es gibt jede Menge Beigaben in Form von Entführungen und Morden, an denen sowohl Asa als auch die Familie eines wohlhabenden Ölbarons beteiligt sind. Diese Familie ist das perfekte Beispiel für die Profiteure der Ausbeutung, die dazu beigetragen haben das ehemals makelloses Montana physisch als auch gesellschaftlich zu verwüsten.

    Dazu führen Dave und Clete einen Kleinkrieg mit der lokalen Polizei, die so gar kein Bock darauf hat das Auswärtige für Unruhe sorgen. Und Leichen hinterlassen. Aus Notwehr.

    Wie in keinem anderen Buch aus der Dave Robicheaux Serie treffen hier das geläuterte Gute (Dave, im Rahmen auch Clete und Gretchen) auf das Böse – auf eine Welt und auf Menschen ohne Limits. Denen keine Grenzen gesetzt werden.

    Diese Grenzen setzen am Ende Dave & Co mit aller Gewalt. Und dürfen erleben das es immer noch mehr Böses gibt, das ggf. auch aufräumt. Und damit Dave, Clete und Gretchen vor eine Mordanklage bewahrt.

    Gerechtigkeit? Killt. Das Böse? Killt immer. Der Mensch? Ein Abgrund.

    Großartig. Einfach nur Großartig.

    Soundtrack dazu: Meat Puppets – Embodiement Of Evil, was sonst?

    PS: Das Original hat mit “The Light Of The World” den besseren Titel, definitiv. Das deutsche Cover Foto gibt das ja auch her.