Category: Bücher

  • Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Bücher, schnell gelesen: 1.787

    Gregory Galloway – Die Verpflichtung (Polar Verlag, 2025)

    Gelesen: 01. – 04.09.2025 (netto 262 Seiten)

    Aus dem Amerikanischen von Karin Karen Witthuhn.

    Eine echte Perle, ein echter Noir. Und ein echter MacGuffin.

    Gregory Galloway schickt Rick (Erzähler) und Frank – Einbrecher aus Berufung – auf die einfache Jagd nach einem einfachen Gegenstand. Der Gegenstand selbst ist unwichtig (und entpuppt sich als ehr sinnfreie Lacrosse Trophäe) denn er beschäftigt den Leser weit weniger als die persönlichen Turbulenzen der Verfolger des Objekts.

    Rick und Frank, kleinkriminelle Partner und ex-Junkies, sind mit einem Auftrag außerhalb einer namenlosen amerikanischen Stadt beschäftigt. Ihr Auftraggeber hat ihnen einen einfachen Auftrag versprochen, doch Rick ist bei jedem Auftrag nervös: Der Job war immer einfach. Alles andere stellte sich als das Problem heraus.

    Und tatsächlich wird Ricks und Franks Auftrag durch die Anwesenheit eines toten Pferdes auf der Straße vor ihrem Hotel gestört. Frank mach das nervös und daher geraten beide in Zeitnot. Am Ende klaut Rick dann doch das Ding.

    Auf dem Weg zurück zu ihrem Hotel geraten sie in einen Verkehrsunfall und werden getrennt. Während Frank auf einen Abschleppwagen wartet, schafft es Rick mit dem Ding in der Hand zurück zum Hotel.

    Logo das es ab hier bergab geht, für beide. Frank zahlt mit seinem Leben, Rick mit … ganz viel Angst.

    Ein perfekter Noir-Roman, spannende Rückblenden (sind Rick und Frank Partner und/oder Paar?) und perfekte Charaktere.

    Dazu das Genere typische Drumherum (das null nervt): Treffen in einem Diner, Aphorismen aus dem Mund von Kriminellen, Ricks Voiceover-artige Erzählung mit ihrer „Hätte ich das nur gewusst“-Tonlage – gegenüber den alten S/W Hollywood Noir Filmen sind nur Sachen wie WLAN, SMS und zu hackende elektronische Alarmsysteme fehl am Platz.

    Im Schlusswort (“Komplizen und Leichte Ziele“) liefert Galloway eine lange Liste von klassischen Kriminalromanen und Drehbüchern aus denen er Zitate entliehen hat (funktioniert halt nur in Englisch so richtig gut, wo ein Teil der Zitate in der amerikanischen Kultur fester Bestandteil sind).

    Das Nachwort von Jon Bassoff erklärt hier einiges und mich hat es darin bestärkt das dieses Buch weniger eine plumpe Hommage ist sondern mit feiner Nadel gestrickt wurde.

    Wow, ein echtes Kleinod voller Historie aber tief im hier und jetzt. Moderner Noir. Cool.

    Soundtrack dazu: The Celibate Rifles – Kiss Me Deadly, was sonst?

    PS: Nur echt mit Book Trailer …

    PPS: Und Gregory so?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.786

    Bücher, schnell gelesen: 1.786

    Jerome Charyn – Ravage & Son (Suhrkamp, 2025)

    Gelesen: 01. – 04.09.2025 (netto 327 Seiten)

    Aus dem Englischen von Jürgen Bürger.

    Hach, Jerome Charyn. Isaac Seidel. Rotbuch Krimi.

    Hach.

    Für mich ist die Isaac Seidel Reihe mit das Beste, was ich all die Jahre gelesen habe. Jerome hat also jede Menge Kredit.

    Ravange & Son ist eine historischer Roman, halb Krimi halb Geschichte der jüdischen Lower East Side in NYC.

    Ab in den DeLorean und ins Jahr 1883.

    Lionel Ravage ist einer der wichtigsten Vermieter in der Lower East Side von Manhattan, dem jüdischen Viertel, das auch als Ghetto bekannt ist.

    Er liebt seine Katze Chlöe, ignoriert seine Frau Henrietta und streift mit seinem silbernen Wolfskopfstock durch die Nachbarschaft. Er drängt junge Frauen zum Sex, indem er ihnen manchmal Mietnachlässe anbietet oder vorgibt, sie zu heiraten.

    Fast Forward nach 1913: Benjamin Ravage, illegitimer Sohn von Lionel, hat sein Studium in Harvard abgeschlossen. Jacob Schiff (der tatsächliche Chef des Bankhauses Kuhn Loeb und Finanzier vieler der größten Eisenbahngesellschaften des Landes) hatte ihn dorthin geschickt, wahrscheinlich um irgendwann ein Druckmittel gegen Lionel zu haben.

    Ben wird einer der Detektive der Kehilla (eine Geheimgesellschaft reicher deutscher Juden aus Uptown NYC, die für Ordnung (Vorsicht, Euphemismus) unter den armen russischen Juden in Downtown NYC sorgt) und wird praktisch überallhin von seinem Partner Monk Eastman (ebenfalls eine historische Figur und ein berüchtigter Gangster) begleitet.

    Ihr Job: Im Sinne der Reichen in der Lower East Side aufzuräumen.

    Doch Ben ist in Wirklichkeit nur daran interessiert, sich an seinem Vater zu rächen, der seine Mutter in die Irrenanstalt getrieben hat.

    Seine Arbeit wird dabei von Abraham Cahan (dem echten Herausgeber des Jewish Daily Forward, einer jiddischen Zeitung, die 1913 eine größere Auflage hatte als die meisten englischsprachigen Zeitungen) verfolgt, der befürchtet, dass die Kehilla den sozialistischen Trend des Viertels unterdrückt.

    Jerome Charyn erschafft eine schwindelerregende Vielfalt an Charakteren und Handlungspunkten. Dazu gibt es jede Menge kleine Geschichtsstunden, die Manhattaner Institutionen wie Lord & Taylor und das Montefiore Hospital berühren, ganz zu schweigen von Cahan, dem Daily Forward und den Spannungen zwischen deutschen Juden und ihren verarmten russischen Genossen.

    Fiktion und Realität sind fließend, ab und an habe ich parallel recherchiert um den Kontext zu verstehen.

    Letztlich konzentriert sich Ravage & Son auf Bens Rachefeldzug gegen seinen Vater und lässt andere Erzählstränge auf der Strecke. Dabei sind einige der anderen Stränge ebenso interessant wie Bens Geschichte, die zum Glück tragisch endet.

    Spannend aber kein Isaac Seidel Niveau. Es geht ja letztendlich auch im etwas anderes: Gewalt, herzlose Schurken und Klein halten. Ausnutzen. Auspressen.

    Innerhalb der jüdischen Diaspora in NYC, vor dem ersten Weltkrieg.

    Soundtrack dazu: Jeff Dahl – Ravaged, was sonst?

    PS: Und Jerome so?

    PPS: Und der Bintel Brief im Jewish Daily Forward?

  • Bücher, schnell gelesen: 1.785

    Bücher, schnell gelesen: 1.785

    Sara Paretsky – Wunder Punkt (Ariadne Krimi, 2025)

    Gelesen: 23. – 30.08.2025 (netto 472 Seiten)

    Deutsch von Else Laudan.

    Sara Paretsky kommt in diesem Buch quasi nach Hause. Sie schickt Vic Warshawski zur Erholung nach Lawrance, Kansas. Und das ist mehr als nur Zufällig der Ort an dem Sara aufgewachsen und zur Uni gegangen ist.

    Vic begleitet eine Freundin und ein paar junge Studentinnen zu einem Basketball-Spiel und als eine vor der Heimfahrt verschwindet bittet ihre Freundin sie die Vermisste zu suchen.

    Sie findet sie und sie findet Drogen und eine Leiche. Und von da an kann sie nicht loslassen und findet sich mitten in einer Stadt wo die Vergangenheit immer noch Wunden reisst:

    Kansas wurde 1854 ein Territorium und erst 1861 ein Staat, der der US of A als 34ter Staat beitrat. Zischen diesen beiden Jahren lag ein langer und blutiger Streit ob Kansas Sklaverei erlaubt oder verbietet (was es am Ende tat).

    Und das alles strahlt bis heute aus, die Leiche die Vic findet ist eine junge Frau die genau die Gründermythen von Kansas und Lawrance untersucht hat und dabei am Ego (und der Geschichte) von den bestimmenden (weißen) Familien im Ort kratzte.

    Und Vic, die Außenseiterin aus Chicago, legt sich mit den lokalen Fürsten (Polizei, Staatsanwälte, Wirtschaftsmagnaten mit FBI Verbindungen, Grundbesitzer) an und lässt nicht locker. Obwohl sie mehr als einmal vor dem Aufgeben steht.

    Am Ende kommt es “klein” und mit einer historischen Lehrstunde. Weniger hard-boiled als sonst und mit einem leisen Ende (das aber um so gewichtiger ist).

    Spannende Historie, elegant in den Vic Warshawski Zyklus eingearbeitet. Passt.

    Soundtrack dazu: Stiff Middle Fingers – On The Watch List, was sonst?

    PS: Und Sara so?

    PPS: Und sie kommt diese Woche sogar nach Hamburg: