Tag: Hideo Yokoyama

  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.464

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.464

    Hideo Yokoyama – 50 (Atrium Verlag, 2020)

    Gelesen: 29.07. – 01.08.2020, netto 336 Seiten

    Einfach ein beeindruckendes Buch. Das fängt bei der Gestaltung an (siehe “64“) und endet mit der extrem klar strukturierten Geschichte.

    “50” entstand 2002, also weit vor “64” (2012) und macht uns mit seiner harten Struktur vor allem eines klar:

    In der japanischen Gesellschaft gibt es etwas, das über allem steht. Vor allem über dem Individuum: Die Gruppenverwantwortung. Nach japanischem Verständniss von Gruppenverwantwortung wirkt sich der Fehltritt eines Individuums auf das Ansehen der gesamten Organisation aus.

    Wir kennen das als “Gesicht wahren“. Und das ist es, worum es hier geht. Der Kampf von Organisationen (hier: Die Polizei (und darin Polizeiverwaltung und Kriminalpolizei), die Staatsanwaltschaft, die Presse, die Justiz (Richter und Strafanstalt) um ihr Ansehen. Und das dieser Kampf wichtiger ist, als der individuelle Erfolg, der individuelle Fall, das individuelle Opfer oder auch der individuelle Täter.

    Poizeihauiptmeister Kaji, Vizedirektor der Ausbildungsabteilung, hat seine an Alzheimer erkrankte Frau erwürgt. Auf ihre Bitte hin. Es bleibt ein Mord und dieser schädigt das Ansehen der Polizeiverwaltung.

    Und um dieses Ansehen zu schützen, werden alle Register gezogen. In jeder Organisation kommt es zu Stress, in jeder Organisation gibt es einen Verlierer. Weil das Individuum nicht zählt. Weil Prozesse, Riten, Beziehungen und Ansehen eben wichtiger sind.

    Das Ende der Geschichte ist um so überraschender, als hier ein Individuum seine familiäre Gruppenverantwortung über die organisatorische Gruppenverantwortung stellt. Und das kann nur geheilt werden, in dem zwei Kollaborateure aus ihrer Verantwortung ausbrechen.

    Das beste Beispiel für “Gesicht wahren” und “Organisation über Individuum” das ich gelesen habe. Und nein, eine solche Gesellschaft werde ich nie verstehen.

    Wow!

    Soundtrack dazu: Last Child – My Life, was sonst?

  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.423

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.423

    Hideo Yokoyama - 2 (Atrium Verlag, 2019)
    Hideo Yokoyama – 2 (Atrium Verlag, 2019)

    Gelesen: 22. – 25.11.2019, netto 140 Seiten.

    Mit “64” hat Hideo Yokoyama ja einen 753 Seiten schweren Brocken vorgelegt, da kommt jetzt ein kleines Kurzgeschichtenbuch hinterher.

    Wie in 64 geben beide Geschichten das innere des japanischen Polizeiapparates preis – vollkommen verstörende Strukturen und vollkommen verstörende Verhaltensweisen für einen westlich geprägten Leser.

    Die beiden Geschichten sind kurze aber völlig wahnwitzige (manche schreiben kafkaesk) Geschichten:

    Einmal über einen alten Polizeichef, der nach seiner Karriere einen gut bezahlten Wirtschaftsposten bekommen hat (die Art der Wirtschaft “danke” zu sagen) und diesen nicht räumen will – und damit eine Versetzungsrochade zum erliegen bringt. Ein einsamer Verwaltungsbeamter muss das ganze retten und verheddert sich im Polizeikodex.

    Zum anderen eine sehr kurze Skizze über Frauen in der Polizei und das aktive ignorieren  durch ihre männlichen Kollegen.

    Nächstes Jahr kommt “50” – der nächste Brocken, wieder aus dem Innenleben der Polizei in Japan. Cool.

    PS: Die Buchgestaltung ist nicht nur 1A sondern Herausragend! Ich habe selten ein haptisch, wie optisch, wie auch vom Schriftbild her so liebevoll und toll gemachtes Buch in den Händen gehabt. 

    Soundtrack dazu: Anger Flares – Search For Light, was sonst?

  • Bücher, schnell gelesen: Teil 1.319

    Bücher, schnell gelesen: Teil 1.319

    Hideo Yokoyama - 64 (Atrium Verlag, 2018)
    Hideo Yokoyama – 64 (Atrium Verlag, 2018)

    Gelesen: 20.04. – 07.05.2018, netto 753 Seiten

    Was für Brocken! Mal ab davon, das dieses Buch alleine wegen seiner Gestaltung ein “Mitnehmer” ist – es ist auch noch eine kleine und extrem tiefe Geschichte aus dem japanischen Polizeiapparat.

    Das ganze ist sicher nicht für Leute die Tempo brauchen. Zwischendurch ging auch mir die Kleinteiligkeit, die Detailriefe und das langsame Tempo durchaus auf den Sack. Aber wenn der Leser sich darauf einlässt und das Kopfkino anschaltet dann ist das eine Geschichte die – trotz der geringen Anzahl der handelnden Person und der geringen Streuung der Geschichte – ganz groß ist.

    Und dann bekommt man nicht nur einen gut gemachten Krimi sondern einen ganz tiefen Einblick in die Gesellschaft, in die institutionalisierten Abhängigkeiten und in die ungebrochene Obrigkeitshörigkeit in Japan. Und die alte Weisheit das Gesicht waren vor Wahrheit kommt.

    Tolles Buch das aber mit viel Mut gelesen werden muss.

    Soundtrack dazu: Gasatsu – OK, was sonst?

    PS: Ich bin ja sehr wählerisch bzw. empfindlich was Cover und Gestaltung angeht. Dem Atrium Verlag und den Gestaltern dieses Buch aber ein ehrliches Chapeau! Hier passt alles und es ist ein echter Hingucker von Brocken…

    So sehen gut gestaltete Bücher aus!
    So sehen gut gestaltete Bücher aus!